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„Bis 55 zählen Sie für uns zur jungen Generation“
In Deutschland steckt sie noch in den frühen Anfängen: eine Aktienrente, in die ein Teil des Bruttogehalts fließt. Schweden hat dagegen schon mehr als zwei Jahrzehnte Erfahrung mit diesem Modell. Zu den erfolgreichsten Anbietern zählt der staatliche Fonds AP7. Dessen scheidender Vorstandschef Richard Gröttheim erläutert das Geheimnis seines Erfolgs.
Mit Richard Gröttheim sprach Claudia Wanner
leitwolf: Sie verlassen AP7 nach über 20 erfolgreichen Jahren. Können Sie sich vorstellen, als nächstes eine deutsche Variante des Fonds aufzubauen?
Richard Gröttheim: (lacht) Das hört sich verlockend an! Aber im Ernst: Nein, dafür fühle ich mich zu alt und ich freue mich darauf, das Geschäftliche in meinem Leben ein wenig zu reduzieren. Aber ich kenne mich ganz gut aus mit den Überlegungen und Entwicklungen in Deutschland. Im Lauf der Jahre hatten wir zahlreiche deutsche Besucher, die mehr über unseren Ansatz eines staatlichen Fonds mit nennenswerter Risikobereitschaft erfahren wollten und wie wir diesen zum Erfolg gebracht haben. Dabei habe ich immer betont, dass es zwischendurch schon mal holprig werden kann, wenn die Pensionsgelder in Aktien fließen. Aber am Ende wird daraus die höhere Rente.
leitwolf: In Schweden wurde das Rentensystem im Jahr 2000 grundlegend reformiert. Was hat den Schritt damals ausgelöst?
Richard Gröttheim: Das staatliche Rentensystem war am Boden und hatte ernsthafte Finanzierungsprobleme. Die Lage war sehr schwierig – was die politische Diskussion darüber aber vermutlich erleichtert hat. Seitdem ruht unser staatliches System auf zwei Säulen. Jeder Berufstätige zahlt 16 Prozent des Bruttoeinkommens in eine Grundrente, die als Umlageverfahren funktioniert, ein traditioneller Generationenvertrag. Zusätzlich haben wir die verpflichtende Prämienrente, ein beitragsorientiertes, kapitalbildendes System. Das wird finanziert durch weitere 2,5 Prozent des Gehalts. Und hier kommt AP7 ins Spiel. Wir sind der Standardanbieter für den kapitalbildenden Teil im staatlichen Rentensystem.
leitwolf: Wie investieren Sie die Gelder, die dem Fonds zufließen?
Richard Gröttheim: Solange Sie als Einzahler jung sind, ist das Kapital ausschließlich in Aktien angelegt. In unserer Definition zählen Sie übrigens bis 55 Jahre zur jungen Generation. Von da an verlagern wir langsam einen Teil des Vermögens in Anleihen. In Schweden haben Frauen eine Lebenserwartung von 85 Jahren, bei Männern sind es rund 82 Jahre. Wer also mit 65 Jahren in den Ruhestand geht, hat immer noch einen Anlagehorizont von zwei Jahrzehnten. Zu diesem Zeitpunkt ist dann die Hälfte des Prämienfonds in Aktien angelegt, der Rest am Anleihemarkt. In den folgenden zehn Jahren wird der Aktienanteil auf ein Drittel reduziert.
leitwolf: Und wie investieren Sie den Aktienanteil?
Richard Gröttheim: Unser Portfolio ist global, wir sind in rund 3.000 Unternehmen investiert. Was schwedische Unternehmen und die schwedische Krone angeht, sind unsere Anleger ohnehin übergewichtet. Da ist es sinnvoll, dass wir die Prämienrente diversifizieren und in anderen Märkten und Währungen anlegen.
leitwolf: Eine Durchschnittsrendite von elf Prozent über zwei Jahrzehnte ist tatsächlich beeindruckend. Verraten Sie uns das Geheimnis Ihres Erfolgs?
Richard Gröttheim: An erster Stelle steht der lange Anlagehorizont. Haben Sie Ihre Strategie ausgearbeitet, sollten Sie daran festhalten. Versuchen Sie bloß nicht, mit häufigen Umschichtungen noch ein kleines Extra herauszuholen! Außerdem ist die globale Diversifizierung wichtig. In unserem Portfolio legen immer ein paar Werte zu, andere verlieren. Einige gewinnen über die Jahre unweigerlich deutlich an Bedeutung. Alphabet war noch vor einem Jahrzehnt ein kleiner Anteil unseres Portfolios. Inzwischen macht das Unternehmen einen wesentlichen Anteil unserer Anlage aus. Schließlich ist für eine Aktienrente der schon erwähnte Ansatz der Lebensphasen entscheidend. Wer jung ist, kann voll ins Risiko gehen. Näher am Ruhestand ist mehr Vorsicht angesagt. Diese drei Punkte sind für mich entscheidend. Außerdem basiert alles, was wir tun, auf Finanztheorie und akademischer Forschung, ist also verankert in der Finanzwissenschaft.
leitwolf: Aber nicht jedes Jahr sind eindrucksvolle Renditen drin. Wie wirkt sich ein mäßiges Jahr auf Ihr System aus?
Richard Gröttheim: 2022 war ein solches Jahr. Unter dem Strich stand ein negatives Ergebnis. Der Rückgang des Vermögens bedeutet auch, dass die Rente etwas niedriger ausfällt. Dafür war allerdings das Vorjahr extrem erfolgreich, mit einem Plus von 31 Prozent. Und es ist ja immer nur ein Sechstel der gesamten Rente, das von der Aktienentwicklung betroffen ist, da lässt sich auch ein Rückgang von zehn Prozent handhaben.
leitwolf: Sie haben Ihren langen Anlagehorizont erwähnt. Wie häufig überprüfen Sie Ihre Anlageentscheidungen?
Richard Gröttheim: Alle fünf Jahre. Dann schaut sich der Anlageausschuss an, ob eine Feinabstimmung nötig ist. Manchmal nehmen wir dann Anpassungen vor, meistens aber nicht. Wir haben allerdings gerade kürzlich außer der Reihe eine Asset-Liability-Studie durchgeführt als Vorbereitung für neue Anlageregeln, die uns künftig erlauben, in Immobilien zu investieren.
leitwolf: Die Sparer haben die Auswahl zwischen 600 privaten Fonds. Ist in diesem Umfeld eine staatliche Lösung wirklich notwendig?
Richard Gröttheim: Das ist eine berechtigte Frage. Mein Eindruck ist, dass hier ein echtes Marktversagen vorliegt. Wenn es ein staatlicher Anbieter schafft, deutlich bessere Ergebnisse zu erzielen, dann haben die privaten Fondsgesellschaften bisher nicht die richtigen Fonds aufgelegt. Daher bin ich der festen Überzeugung, dass es sinnvoll ist, eine gut gemanagte, staatliche Variante anzubieten, auf der Grundlage von Finanztheorie und mit dem passenden Risikoprofil. Gleichzeitig ist es aber wichtig, den Sparern Wahlmöglichkeiten zu bieten. Auf absehbare Zeit wird die Zahl der Fonds auf der Plattform übrigens auf rund 200 reduziert.
leitwolf: Wo sehen Sie den entscheidenden Unterschied zwischen Ihrem Produkt und der Konkurrenz?
Richard Gröttheim: Die Kosten sind ein wichtiger Punkt. Wir berechnen fünf Basispunkte, im Schnitt werden auf der Plattform 25 Basispunkte verlangt. Dann findet sich dort eine nicht unerhebliche Zahl Anleihefonds, mit weniger Risiko, aber auch weniger Rendite. Und es gibt auch eine ganze Reihe Fonds, die beim Anlageerfolg enttäuscht haben. Oft waren das Nischen- oder Branchenfonds. Da sind wir wieder bei der Bedeutung von Diversifizierung. Und bei der Frage, warum eigentlich keiner der Asset Manager versucht hat, unseren Ansatz zu kopieren.
leitwolf: Wenn Sie zurückblicken, würden Sie sagen, dass Ihnen in der Zeit bei AP7 ernste – oder kostspielige – Fehler unterlaufen sind?
Richard Gröttheim: Unser größter Fehler war vermutlich, dass wir nicht von Anfang an ausschließlich auf Aktien gesetzt haben. Bis 2010 war unsere Anlage weniger risikoreich, erst dann erlaubte die Regulierung uns, ganz auf Aktien zu setzen. In den ersten zehn Jahren wichen auch unsere Ergebnisse nicht so deutlich von denen der privaten Wettbewerber ab. AP7 hat erst richtig losgelegt, als uns mehr Risiko erlaubt war. Aber das war natürlich eine politische Entscheidung. Ansonsten haben wir selbstverständlich Fehler gemacht, aber keine großen, würde ich sagen
leitwolf: Sie wissen sicher, wie zurückhaltend die Deutschen sind, wenn es um Aktien geht. Was empfehlen Sie den Sparern und zukünftigen Rentnern hierzulande?
Richard Gröttheim: Sie müssen sich bewusst machen, dass die Risikoprämie für Aktien einer der zentralen Bausteine für das Funktionieren einer Marktwirtschaft ist. Wären die Erfolgsaussichten gleich, wenn das Geld bei der Bank liegt oder in ein Unternehmen investiert wird, dann würde die Marktwirtschaft zusammenbrechen. Nun ist Deutschland eine der erfolgreichsten Volkswirtschaften der Welt, viele erfolgreiche Konzerne stammen aus Deutschland. Legen Sie also die Bedenken ab, haben Sie keine Angst!
leitwolf: Herr Gröttheim, herzlichen Dank für das Gespräch!
Fotos/Illustrationen: Markus Kirchgessner, Lupus alpha