„Impact ist das Produkt aus Purpose und Scale“

Den eigenen CO2-Fußabdruck zu ermitteln, wird für europäische Großunternehmen 2023 zur Pflicht. Mit einer Software für Klimaschutz hat Planetly diesen Trend frühzeitig erkannt. Ralf Lochmüller sprach mit der Gründerin und CCO von Planetly, Anna Alex, über die Erfolgsfaktoren ihrer Start-ups, die Bedeutung von Skalierbarkeit und die Klimaziele der Bundesregierung.

Redaktion Kathrin Lochmüller

leitwolf: Frau Alex, mit Planetly haben Sie bereits Ihr zweites Unternehmen gegründet. Nach dem Thema Männermode bei Out­fittery wollen Sie nun die Geschäftswelt klimaneutral machen. Was treibt Sie an?

ANNA ALEX: Ich bin seit zehn Jahren mit großer Leidenschaft Unternehmerin. Schon während meines VWL-Studiums habe ich mich mit der damals noch jungen Start-up-Szene beschäftigt, Praktika gemacht und schließlich als ganz frühe Mitarbeiterin bei Rocket Internet angefangen. Auch wenn ich keine Modedesignerin oder Klimawissenschaftlerin bin, so kann ich aus diesen Erfahrungen viel in den Aufbau und die ­Führung eines Unternehmens einbringen. Die Idee für Planetly ist entstanden, als ich noch Geschäftsführerin bei Outfittery war. Ich hatte mich der Initiative „Leaders for ­Climate Action“ angeschlossen und wollte den CO2-Fußabdruck für unser Unternehmen berechnen – was sich als enorm kompliziert herausstellte! Ich musste mir die Daten sehr mühsam mithilfe eines Beraters zusammensuchen und hatte am Ende dann lediglich eine PDF-Datei in Händen.

leitwolf: Herr Lochmüller, Sie sind Gründer und Gesellschafter von Lupus alpha. Was hat Sie vor 22 Jahren motiviert, das Unternehmen zu gründen?

RALF LOCHMÜLLER: Meine Partner und ich kamen zwar nicht aus der Start-up-Szene, wir waren Ende der 90er-Jahre aber von dem Gedanken des Neuen Marktes inspiriert, über den damals viele junge Unternehmen an die Börse gingen. Nach Jahren im Asset Management von großen Häusern wollten wir mit Lupus alpha eine eigene, bankenunabhängige Investmentgesellschaft gründen, was im Jahr 2000 eher ungewöhnlich war. Von Beginn an war es unser Ziel, spezialisierte Investmentlösungen abseits des Mainstreams anzubieten. Gestartet sind wir mit Fondslösungen im Segment der europäischen Small & Mid Caps. Falls Planetly eines Tages börsennotiert sein sollte, wäre das Unternehmen sicherlich in unserem Fokus (schmunzelt). Heute bieten wir zudem Strategien im Bereich Alternative Solutions an – beides mit dem Anspruch, für unsere Kunden einen Mehrwert durch Outperformance und einen hervorragenden Service zu erzielen.

leitwolf: Frau Alex, was sind aus Ihrer Sicht die Erfolgsfaktoren für ein Start-up?

ANNA ALEX: Das Wichtigste ist, dass das Gründungsteam zusammen funktioniert. Wenn das nicht stimmt, sind die Probleme vorprogrammiert. Streit unter den Gründern ist auch der häufigste Grund, warum Start-ups scheitern. Daher haben wir bei Planetly von vornherein mit einem Coach zusammengearbeitet. Wenn ich Investor wäre, würde ich ein solches Gründercoaching zur Pflicht machen.

leitwolf: Sind Sie als Frau unter den Gründern immer noch eher die Ausnahme?

ANNA ALEX: Die Szene ist noch wenig ­divers. Nur etwa 15 Prozent der Gründer sind Frauen, dieser Anteil stagniert leider seit Jahren. Ich sehe viele tolle Frauen mit großartigen Ideen und ich würde sie gern dazu ermutigen, größer zu denken, als sie das oft tun. Die Szene hat sich außerdem enorm professionalisiert, vor allem auch bei den Finanzierungsrunden. Diese laufen eher gut für Männer, sie akquirieren in der Regel mehr VC-Gelder. Dass ich Mehrfachgründerin bin, hilft bei Pitches, und sicher auch, dass wir bei Planetly einen klaren Purpose haben.

Über die Erfolgsfaktoren einer Unternehmensgründung haben Anna Alex und Ralf Lochmüller diskutiert.

leitwolf: Herr Lochmüller, was sind Ihre Erfahrungen aus der Gründung?

RALF LOCHMÜLLER: Lupus alpha habe ich damals zusammen mit vier Partnern gegründet. Wir hatten den Vorteil, dass wir bereits vorher eng zusammengearbeitet haben und uns gut kannten. Außerdem waren die Stärken und Kompetenzen unter uns klar verteilt: Ein Partner hatte den Hut für das Fondsmanagement auf, einer für den Bereich Finanzen und Organisation, einer für die gesamte IT, einer für den Vertrieb und ich habe mich um unsere Key-Kunden sowie vor allem um die Unternehmensentwicklung und PR & Marketing gekümmert. Das mache ich auch heute noch mit großer Freude.

leitwolf: Frau Alex, Planetly bietet Lösungen für CO2-Management an. Können Sie erläutern, wie Ihre Lösungen funktionieren und welchen Mehrwert diese für Unternehmen schaffen?

ANNA ALEX: CO2-Management war bisher aufwendig, komplex und statisch, wie ich ja aus eigener Erfahrung weiß. Mein Mitgründer Benedikt Franke, den ich noch aus Rocket Internet-Zeiten kannte, fand es ebenfalls interessant, diese Marktlücke zu schließen. Daher haben wir eine digitale Plattform entwickelt, auf der die Unternehmen ihre Emissionen systematisch, aber vor allem schnell und einfach erfassen können. Wir arbeiten dabei nach dem Greenhouse Gas (GHG) Protocol-Standard, der Daten nach drei Scopes erfasst und auswertet. Datenlücken werden transparent gemacht und automatisch gefüllt. Die nutzenden Unternehmen können sich außerdem mit anderen Wettbewerbern hinsichtlich ihres CO2-Ausstoßes vergleichen.

leitwolf: Die Messung der Emissionen ist der erste Schritt. Geben Sie Ihren Kunden im zweiten Schritt auch Hilfestellung bei der Reduktion von CO2? Was sind effektive Maßnahmen?

ANNA ALEX: Wir unterstützen unsere ­Kunden bei der Entwicklung einer umfassenden Reduktionsstrategie, bei der Festlegung ihrer Reduktionsziele sowie bei der Umsetzung von Reduktionsmaßnahmen. Auf Basis der Analyseergebnisse unserer Software helfen wir zum Beispiel, sogenannte Quick Wins zu definieren – das sind Reduktionspotenziale, die kurz- bis mittelfristig umgesetzt werden können, ohne das Kerngeschäftsmodell der Kunden zu verändern. Nutzung von grünem Strom wäre so eine Maßnahme. Andere Maßnahmen können Reise- und Routenoptimierungen, das Durchleuchten des Einkaufs sämtlicher Vorprodukte oder die Elektrifizierung der Unternehmensflotte sein. To keep it simple: Öl, Gas, Kohle, Zement – wenn wir auf diese vier Dinge weltweit verzichten, dann haben wir einen großen Teil der Klimakrise bewältigt.

„Die Start-up-Szene ist noch wenig divers. Nur etwa 15 Prozent der Gründer sind Frauen.“

Die Geschäftswelt klimaneutral machen

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Das ist die Mission von Planetly. Das Berliner Start-up hat dafür eine Software entwickelt, die Unternehmen beim Messen ihres CO2-Fußabdrucks hilft. Was früher zeitaufwendig, komplex und statisch war, wird damit einfach, transparent und jederzeit verfügbar. Rückenwind bekommt der Markt für Klimaschutz-Software durch weiter zunehmende Berichtspflichten: So müssen Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Europa ab 2023 ihren CO2-Fußabdruck veröffentlichen. Auch die US-Börsenaufsicht hat jüngst verkündet, dass sie eine Regelung plant, nach der börsennotierte US-Unternehmen ihre Klimarisiken und Treibhausgasemissionen bekanntmachen müssen. Um sich global zu positionieren und eine größere Wirkung im Kampf gegen den Klimawandel zu erzeugen, hat sich Planetly Anfang 2022 mit dem amerikanischen Softwareanbieter OneTrust zusammengeschlossen.

leitwolf: Herr Lochmüller, Nachhaltigkeit hat auch in Ihrem Unternehmen und Ihren Anlagestrategien eine hohe Bedeutung. Wie tragen Sie zur Reduktion von CO2 bei?

RALF LOCHMÜLLER: Aktives Management und der enge Austausch mit den Unternehmen fördern nachhaltiges Wirtschaften. Für unsere Fondsmanager ist es wichtig, Unternehmen zu finden, auf deren langfristig ­positive Geschäftsentwicklung wir vertrauen können. Dazu gehört heute auch, sich nachhaltig und klimaneutral zu positionieren. Denn nur so können Unternehmen heute Investoren überzeugen und neue Talente für sich gewinnen. In unseren Sustainable-Produkten haben wir die Auswahlkriterien für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung verbindlich festgeschrieben. Diese Kriterien gelten aber natürlich auch für uns selbst. ESG ist eines der wesentlichen Ziele in unserer Unternehmensstrategie 2025. Wir wollen ESG so in unsere DNA integrieren, dass wir bei der Einhaltung der geltenden Regeln, aber auch bei kommenden Regularien im „driver seat“ sitzen.

leitwolf: Sie sprachen das Thema Talente an. Wie gelingt es Ihnen, junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten?

RALF LOCHMÜLLER: Junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen ernst genommen werden und in spannenden Projekten arbeiten. Für uns spielt die Hierarchie da überhaupt keine Rolle. Wir haben eine Fülle von Beispielen, wo sich junge Kollegen direkt nach dem Studium in sehr verantwortungsvolle Positionen im Fondsmanagement, im Vertrieb oder im Produktmanagement hineingearbeitet haben. Wir fördern diese Talente, indem wir uns Zeit für sie nehmen, gemeinsam Ziele entwickeln und in den Projekten unmittelbar Feedback geben. Während in meiner Generation vielleicht noch die klassische, hierarchische Karriere im Vordergrund stand, geht es den jungen Leuten heute mehr um eine verantwortungsvolle Tätigkeit, enge Feedbackschleifen und Spaß an den Projekten. Hier können wir Älteren noch von den Jüngeren lernen.

leitwolf: Frau Alex, Planetly beschäftigt nach nur drei Jahren rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wie finden Sie die Experten, die Sie für Ihr schnelles Wachstum benötigen?

ANNA ALEX: Wir bewegen uns in einem kompetitiven Markt. Der klare Purpose unseres Unternehmens ist sicherlich ein wesentlicher Faktor, der junge Talente überzeugt, für uns zu arbeiten. Der andere ist und bleibt ein attraktives Gehalt. Weitere Annehmlichkeiten wie ein voller Kühlschrank, frisches Obst oder das Arbeiten im Homeoffice werden heute einfach vorausgesetzt und ziehen nicht mehr. Wir suchen Experten in den Bereichen Nachhaltigkeit, Technologie & Entwicklung sowie Vertrieb, die unsere Leidenschaft für den Klimaschutz teilen und unsere Mission gemeinsam mit uns in die Tat umsetzen wollen. Dabei ist uns der One-Team-Gedanke wichtig und eine ausgeprägte Feedbackkultur. Außerdem reduzieren wir auch den persönlichen Fußabdruck unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

leitwolf: Ihr Geschäft ist gut angelaufen, Sie haben bereits namhafte Kunden wie HelloFresh, BMW oder Home24 gewinnen können. Dennoch haben Benedikt Franke und Sie Planetly Anfang des Jahres an den amerikanischen Softwareanbieter OneTrust verkauft. Warum so früh?

ANNA ALEX: Wir haben bei Planetly einen wichtigen Leitsatz: Impact ist das Produkt aus Purpose und Scale. Das heißt, dass wir den besten Purpose der Welt haben können, solange wir diesen aber nicht skalieren und groß ­machen, wird er keinen Impact erzeugen. Daher ist der Verkauf an OneTrust für uns ein wichtiger, konsequenter Schritt. Durch den Zusammenschluss können wir unsere Lösungen auf einen Schlag an einen sehr viel größeren, globalen Kundenkreis verkaufen. OneTrust hat rund 10.000 Kunden und betreibt Büros auf allen Kontinenten, die Hälfte der Fortune-500-Unternehmen zählt zu ihren Kunden. Auf diese Weise können wir unsere Mission einer klimaneutralen Wirtschaft schneller vorantreiben und einen größeren Impact erzeugen.

Schon während ihres VWL-Studiums lernt Anna Alex die Start-up-Szene kennen und lieben und gründet 2012 zusammen mit Julia Bösch den Online-Shopping-Service für Männer namens Outfittery, der seit Kurzem auch Frauen bedient. 2018 verlässt sie das operative Geschäft, bleibt dem Unter­nehmen aber als Beiratsmitglied verbunden. Früh erkennt sie die Notwendigkeit für Unternehmen, ihren CO2-Fußabdruck zu erfassen, und gründet 2019 zusammen mit Benedikt Franke Planetly. Die 37-Jährige ist leidenschaftliche Klimaschützerin und setzt sich aus Überzeugung für die CO2-Reduktion weltweit ein. Anna Alex ist zudem Autorin des Spiegel-Bestsellers „Zukunftsrepublik“.

leitwolf: Herr Lochmüller, Lupus alpha hat sich bisher im Wesentlichen auf institutionelle und Wholesale-Kunden in Deutschland konzentriert. Inwiefern kommt für Sie ein Schritt ins Ausland infrage?

RALF LOCHMÜLLER: Unser Fokus wird ganz klar im deutschsprachigen Raum bleiben. Wir haben aber in den letzten Jahren auch einige internationale Kunden über Consultants und Ausschreibungsplattformen dazugewinnen können, ohne dass wir in diesen Ländern vor Ort präsent sind. Ich denke, dass unser Kundenportfolio dadurch in den nächsten Jahren an der einen oder anderen Stelle noch internationaler wird. Darüber hinaus bereiten wir gerade unseren Markteintritt in Frankreich vor. Hier sehen wir vor allem für unsere Wandelanleihenfonds sowie für unsere Volatilitätsstrategien ein gutes Wachstumspotenzial.

leitwolf: Frau Alex, zum Abschluss eine ­politische Frage. Wie schätzen Sie den Stand der Bemühungen Deutschlands zur Erreichung von Klimaneutralität derzeit ein?

ANNA ALEX: Den Treibhausgasausstoß bis zum Jahr 2030 um 65 Prozent zu reduzieren und bis zum Jahr 2045 vollständig klimaneu­tral zu werden, halte ich für sehr ambitioniert. Corona, der Ukraine-Krieg und die aktuellen Energieprobleme absorbieren – verständlicherweise – im Moment sehr viel Aufmerksamkeit und finanzielle Mittel. Was mir aber Mut macht, ist, dass Wirtschaft und Politik in Sachen ESG inzwischen sehr gut und pragmatisch zusammenarbeiten. Es wird knapp, aber wir können es noch schaffen.

leitwolf: Und Sie selbst, haben Sie schon die nächste Gründung in Planung?

ANNA ALEX: Im Moment nicht, aber es gibt noch viele Umweltprobleme, die Ansatzpunkte für eine Geschäftsidee bieten (schmunzelt).

leitwolf: Frau Alex, Herr Lochmüller, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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