Lebenseinstellung als Exportschlager

Wie man ein Stück Kulturgut erfolgreich in die ganze Welt exportiert, weiß das finnische Unternehmen Harvia nur zu gut. Vor 75 Jahren als Familien­unternehmen gegründet, produziert und liefert Harvia heute jährlich mehr als 200.000 Saunaöfen und 20.000 Saunen an Kunden in über 90 Ländern. Rohan Haritwal, Portfolio-Manager bei Lupus alpha, hat sich vor Ort über das Erfolgsrezept des Weltmarktführers informiert.

Text von Dr. Stina Suwelack

„Diese Sauna habe ich zu Hause. Komm, schau mal rein!“ Matias Järnefelt, CEO von Harvia, hält dem Besuch aus Deutschland einladend die Tür zu einer der Saunen auf, die auf einer Fläche hinter den Produktionshallen präsentiert werden. Gut gelaunt berichtet Järnefelt, dass er nur noch einen Elektriker um einen Starkstromanschluss bitten musste. Dann war die Sauna, die komplett montiert geliefert wurde, einsatzbereit.

Fast alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Rohan Haritwal an diesem Tag bei Harvia trifft, haben mehrere Saunen. Für sie gehört, wie für alle Finnen, das Saunieren zum Alltag. Es ist eine Lebenseinstellung. In dem skandinavischen Land gibt es mehr Saunen als zugelassene Fahrzeuge. „Wenn du mich nach unserer Kultur fragst, dann ist es die Sauna“, stellt Matias Järnefelt fest. Man findet sie überall: in Privathaushalten, Ferienhütten und öffentlichen Einrichtungen. Es ist ein Ort, an dem man zusammenkommt, Freunde trifft und entspannt – bevorzugt bei um die 70 Grad. Die Finnen saunieren in Bade­kleidung. Ein wichtiger Unterschied zum deutschen Saunaknigge.

Harvia wurde im Jahr 1950 unweit des heutigen Produktionsstandorts im finnischen Muurame gegründet. Tapani Harvia überlebte einen Flugzeugabsturz und baute einen holzbeheizten Saunaofen, um seine Heilung zu unterstützen. Heute ist das Unternehmen einer der weltweit führenden Anbieter für Sauna- und Spa-Lösungen. Für Matias Järnefelt, der seit knapp zwei Jahren CEO des Unternehmens ist, sind drei Faktoren ausschlaggebend für diesen Erfolg. Eine wichtige Rolle spielt der Heimatmarkt Finnland. Hier konnte sich Harvia langfristig erfolgreich gegen eine Vielzahl von Mitbewerbern durchsetzen – eine echte Feuertaufe. Ein weiterer Wettbewerbsvorteil sind die Produkte. Ihre hohe Qualität beruht auf dem umfassenden Fachwissen des Unternehmens in der Herstellung. „Wir denken Design und Umsetzung in der Produktion zusammen. Diese Betrachtung ist entscheidend“, sagt Järnefelt. Als dritten Faktor nennt er „Mut“. „Damit meine ich Mut zum Wachstum“, präzisiert er. 90 Prozent des Umsatzes von Harvia stammen heute aus dem Ausland. „Das rührt vor allem daher, dass das Management zur richtigen Zeit Investitionen in potenzialstarke Märkte gewagt hat“, erläutert Rohan Haritwal.

Tüftler-Atmosphäre: An der Wand hängen Prototypen von Bauteilen für Saunaöfen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Harvia selbst entwickelt haben.

Röhren für die Saunaöfen warten auf ihren Einsatz.

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Produktionsleiter Tuomo Kakkonen erläutert Portfolio-Manager Rohan Haritwal den Veredelungsprozess der Saunaöfen.

In der Produktion zeigen CFO Ari Vesterinen und Produktionsleiter Tuomo Kakkonen dem Besucher ein Stück Unternehmensgeschichte. Etwas versteckt, am Rand einer der weitläufigen Hallen, steht eine ausladende Werkbank, daneben befinden sich kompakte Hebevorrichtungen und einige Schiebewagen. Es herrscht Tüftler-Atmosphäre. Dies war einer der ersten Produktionsräume, in dem nach dem Bezug der Produktionsstätte in der kleinen, von Seen umgebenen Gemeinde Muurame, an Saunaöfen gearbeitet wurde. Bis heute wird die Räumlichkeit genutzt. Ein paar Schritte weiter hängen über einer anderen Werkbank Prototypen von Bauteilen für Saunaöfen, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst entwickelt haben. Einige davon werden immer noch verbaut. „Dieses Wissen in der Firma zu halten, ist uns wichtig. Hier können wir selbst an Verbesserungen und neuen Ideen arbeiten. Auch unser Research-and-Development-Team profitiert hiervon“, erklärt der Produktionsleiter. Aus der kleinen Werkstatt ist Harvia längst herausgewachsen. Heute umfasst das Produktionsgelände allein in Muurame 73.000 Quadratmeter. Drei weitere Standorte in Finnland, fünf im europä­ischen Ausland sowie jeweils einer in den USA, China und Japan kommen hinzu. Rohan Haritwal, der zusammen mit Jonas Liegl den Lupus alpha Micro Champions managt, verfolgt die Entwicklung von Harvia schon länger. Seit 2023 ist Lupus alpha investiert und hält ca. ein Prozent der Firmenanteile. Auf dem Produktionsrundgang kann Haritwal verfolgen, wie die unterschiedlichen Saunaöfen entstehen. Ein wichtiger Unterschied: Diese können mit Holz oder elektrisch betrieben werden. In Finnland setzen viele Menschen auf die klassische Heizmethode eines kleinen Ofens für Holzscheite, auf dem spezielle Steine liegen, die die Wärme weitergeben. Mit der weltweit steigenden Popularität des Saunierens und der wachsenden Anzahl an Saunen in urbanen Ballungsräumen ist auch die Nachfrage nach Elektro-Saunaöfen gestiegen. Auch hier werden die Steine erwärmt und geben Wärme ab. Die Saunaöfen, etwas technischer auch als „Heizausrüstung“ bezeichnet, machen mit 55 Prozent den größten Teil des Umsatzes aus. Mit knapp 30 Prozent entfällt der zweitgrößte Teil auf Saunen und skandinavische Hot Tubs. Dampf-Erzeuger, Accessoires und Heizsteine sowie Ersatzteile und Service runden das Produktsortiment ab.

In Finnland gibt es mehr Saunen als zugelassene Autos.

Das wichtigste Material für die Saunaöfen ist Stahl. In einem hohen Turm lagert das Material in der Produktion auf 1.000 Ebenen. Insgesamt sind 1,2 Millionen Tonnen Stahl vorrätig, 15 bis 20 Tonnen davon werden im Werk täglich verarbeitet. Nachhaltigkeit ist wichtig. Harvia arbeitet mit Lieferanten zusammen, die den Stahl mit grüner Energie produzieren. Der überschüssige Stahl, der als Verschnitt übrig bleibt, wird eingeschmolzen und zu neuem Material verarbeitet.

Ein paar Meter weiter bringen große Maschinen das zugeschnittene Blech in Form. Vieles läuft hier automatisiert, nur an wenigen Stationen werden die zu bearbeitenden Teile noch von Hand in die Maschinen gelegt. Einige Aufgaben erledigen Roboter vollautomatisch. Die einzelnen Bestandteile der Saunaöfen werden schließlich in der Montagehalle zum fertigen Produkt zusammengesetzt. An 30 Montagestationen bereiten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Öfen für den Versand vor und testen sie noch einmal auf Herz und Nieren, bevor sie vom Logistikzentrum aus in die ganze Welt verschickt werden.

Stahlplatten im Zuschnitt. Harvia produziert jedes Bauteil für seine Saunaöfen selbst. Überschüssiger Stahl wird eingeschmolzen und wiederverwertet.

Ein Roboter bei der Arbeit. Viele Produktionsschritte laufen bei Harvia inzwischen vollautomatisch.

Die Gehäuse der Saunaöfen werden mit Farbe gespritzt.

Rund um den Globus hat das Saunieren in den letzten Jahren enorm an Beliebtheit gewonnen. „Der Saunamarkt wandelt sich von einem Nischen- zu einem Volumenmarkt“, sagt Matias Järnefelt. Den Wert des globalen Saunamarkts schätzt das Unternehmen auf etwa 3,5 Milliarden Euro. In der Vergangenheit ist er jährlich um fünf Prozent gewachsen. Järnefelt sieht aber Chancen für schnelleres Wachstum in den kommenden Jahren. Hierfür gibt es zwei entscheidende Gründe. Zum einen ist das Bewusstsein für die positiven Effekte, die das Saunieren auf Körper und Geist hat, gestiegen. Eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien belegt dies. Verbesserte Herzgesundheit und Blutzirkulation, eine stärkere Immunabwehr, die Entlastung von Muskeln und Gelenken, Stressreduktion und besserer Schlaf sind nur einige der bekannten Vorteile. Vier bis sieben Saunabesuche in der Woche reduzieren das Risiko einer Demenzerkrankung um 66 Prozent oder das eines Schlaganfalls um 62 Prozent. Profisportler wie der Fußballer Cristiano Ronaldo oder Weltstars wie Kim Kardashian schwören auf das Saunieren und teilen dies mit ihren Millionen Followern auf Social Media. Zum anderen profitiert der Markt von Megatrends wie der steigenden Lebenserwartung und der Bereitschaft der Konsumenten, in einen gesunden Lebensstil zu investieren. Matias Järnefelt sieht zudem die sogenannte „Experience Economy“ als weiteren Wachstumstreiber des Saunamarkts: „Menschen geben ihr Geld gern für Erlebnisse aus, die sie mit anderen teilen können, zum Beispiel für Reisen oder Restaurants – oder eben das Saunieren.“ Harvia kennt seine Endkunden genau. Das ist entscheidend, denn jeder Markt ist anders. Im europäischen Markt gibt es bereits viele Saunen. Kaufzurückhaltung, das Zinsumfeld und der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine erschweren derzeit das Geschäft. In Deutschland, dem größten Saunamarkt Europas, bleibt das Umfeld herausfordernd. In Nordamerika hingegen ist die Ausgangssituation deutlich positiver – unabhängig vom aktuellen wirtschaftlichen Umfeld. Hier leben gut 383 Millionen Menschen, aber es gibt nur eine Million Saunen. Die Sauna- und Spa-Produkte der Finnen sind gefragt. Traditionelle und In­frarot-Saunen erfreuen sich besonderer Beliebtheit. Die Saunen passen gut zur „Backyard Culture“ der Amerikaner, die den Garten zu einer Art Wohnzimmer im Freien macht. Sie ergänzen Terrasse, Grill und Pool perfekt. In Japan entdecken junge Menschen den Saunatrend für sich, der sich mit uralten Traditionen verbinden lässt. Saunen finden sich hier an vielen öffentlichen Orten wie den Onsen, natürlichen heißen Quellen, oder in städtischen öffentlichen Badehäusern, den Sentos.

„Das Management hat zur richtigen Zeit Investitionen in potenzialstarke Märkte gewagt.“
Rohan Haritwal

Eine konsequente M&A-Strategie fördert den internationalen Erfolg von Harvia. Nachdem vor gut zehn Jahren Private-Equity-Investoren in das Unternehmen eingestiegen sind, wurden nach und nach strategisch wertvolle Unternehmen übernommen. Heute zählen fünf Marken zur Harvia Gruppe – Harvia, EOS, Almost Heaven Saunas, ThermaSol und Kirami. In den USA übernahm Harvia mit Almost Heaven Saunas einen der regionalen Marktführer und stärkte damit seine Position in den USA signifikant. Ari Vesterinen gibt Rohan Haritwal einen Einblick in die Expansionsstrategie: „Wir bewerten mögliche Zukäufe nach zwei Kriterien: Es ist entweder eine strategische oder eine opportunistische Chance für uns. Strategisch wird es für uns dann interessant, wenn es sich um ein etabliertes Unternehmen in einem Markt handelt, den wir langfristig als relevant für Harvia bewerten, zum Beispiel China, die USA oder Großbritannien. Oder wenn sich die Chance bietet, Betriebe zu integrieren, die unser Angebot ergänzen. Das kann im Bereich der Infrarot- oder Dampf-Saunen sein, wo wir noch ein vergleichsweise kleiner Player sind.“ Opportunistische Chancen bieten sich, wenn beispielsweise kleinere Firmen Nachfolgelösungen suchen. „Wir treffen keine Entscheidung basierend auf einem niedrigen Kaufpreis. Für uns muss alles passen, sonst kommt es für uns nicht infrage, ein Unternehmen zu übernehmen“, so Vesterinen.

„Die Strategie geht auf“, kommentiert Portfolio-Manager Haritwal. „Im vergangenen Jahr ist Harvias Umsatz um 16,4 Prozent auf 175,2 Millionen Euro gestiegen.“ Langfristig strebt das Unternehmen ein durchschnittliches jährliches Umsatzwachstum von zehn Prozent an. „Die vielen Unsicherheiten in der Welt haben das Interesse an Saunen bisher nicht gemindert“, sagt Järnefelt. Für ihn sind vor allem operative Fragen entscheidend für stetigen Erfolg. „Wir priorisieren Resilienz und Flexibilität, um schnell reagieren zu können. Harvia profitiert bereits jetzt davon, dass wir in den relevanten Märkten regionale Lieferketten aufgebaut haben. Wir können schnell entscheiden, welchen Produktionsstandort wir wofür nutzen. In einer Zeit, in der Unsicherheitsfaktoren, wie beispielsweise Zölle, erheblichen Einfluss auf das Geschäft haben können, sichern wir uns so bestmöglich ab.“

CEO Matias Järnefelt erläutert Rohan Haritwal die weitere Strategie von Harvia.

Eine Sauna ist in Finnland ein Ort, an dem man sich gern austauscht. Rohan Haritwal im Gespräch mit CFO Ari Vesterinen in einer der Harvia-Saunen.

Tradition ist wichtig für den CEO. Harvia war sechs Jahrzehnte lang ein Familienunternehmen. Ein Stück dieser Kultur hat es sich bewahrt. Hinzugekommen sind Wachstumsambitionen, eine globale Ausrichtung und ein unternehmerisches Mindset des Managements. „Wir erhalten den Spirit eines familiengeführten Betriebs und erweitern ihn um wichtige, erfolgsorientierte Faktoren. Harvia soll für jeden ein Ort sein, an dem er gern arbeitet“, fasst Järnefelt zusammen.

Zum Ende seines Besuchs fragt Rohan Haritwal Järnefelt nach Tipps für das bestmögliche Saunaerlebnis – nur um zu erfahren, dass es keine universell gültige Formel für das vollkommene Saunaglück gibt. „Ich bin durchschnittlich fünf Mal in der Woche in der Sauna. Aber das kann keine Empfehlung sein, denn Saunieren ist eine sehr persönliche Sache. Es gibt kein ,Richtig‘ oder ,Falsch‘. Saunen sind für alle da. An jedem Ort, zu jeder Zeit.“

Facts zu Harvia

(per 31. 12. 2024)

Nettoumsatz: 175,2 Mio. Euro
Nettoergebnis: 26,86 Mio. Euro
EBITDA-Marge: 25,1 %
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: 700
Produktionsstandorte: 10 Standorte in Finnland, Estland, Deutschland, Rumänien, Italien und in den USA
Marktkapitalisierung: 871,2 Mio. Euro (per 21. 03. 2025)
Aktionärsstruktur: 100 % im Streubesitz, davon 49,7 % Aktionäre außerhalb Finnlands, 20,7 % Privathaushalte, 18,2 % Unternehmen, 11,4 % Banken und Finanzinstitute

Gelungene Internationalisierung

Small & Mid Caps bieten Anlegern den Zugang zur gesamten Produktvielfalt dieser Welt. Viele dieser Unternehmen, wie auch das Beispiel von Harvia zeigt, sind zwar namentlich oft unbekannt, haben jedoch häufig eine hohe internationale Präsenz und Bedeutung in ihrem Segment.
Als familiengeführtes Unternehmen gegründet, ist Harvia fast „unbeeindruckt“ von geopolitischen Einflüssen in seiner Nische zum Marktführer für Saunen und Spas gewachsen und macht heute sowohl in Europa als auch in den USA und in Asien gute Geschäfte. Trotz seiner internationalen Expansion hat Harvia sich seine Bodenständigkeit und seinen Ingenieursgeist bis heute erhalten – was nicht zuletzt an der Führung von Matias Järnefelt liegt, der das Unternehmen mutig, aber mit Blick für Werte und Traditionen, weiterentwickelt.
Es ist genau diese Kombination aus einzigartigem Produkt, guter Führung und nachhaltigem Geschäftsmodell, die ein Unternehmen für uns interessant macht. Die Vielfalt der Produkte und Dienstleistungen, durch die unsere Welt überhaupt erst funktioniert, spiegelt sich in dem Universum von mehreren Tausend börsennotierten Nebenwerten eindrucksvoll wider. Durch sorgfältige fundamentale Analyse und Neugier für neue Produkte und Technologien lassen sich daraus spannende, renditestarke Unternehmen selektieren. Dafür stehen mein neunköpfiges Team und ich jeden Tag.

DR. GÖTZ ALBERT,
MANAGING PARTNER
UND CIO VON
LUPUS ALPHA

Inhalt Ausgabe 011