KOLUMNE
„Ein Konzerthaus zu führen bedeutet, divergierende Sphären zusammenzubringen“
Von Dr. Markus Fein
Die Alte Oper Frankfurt ist ein besonderer Ort der Kultur. Musikerinnen und Musiker aus aller Welt, große Solistinnen und Solisten sowie renommierte Orchester kommen in unser Konzert- und Kongresshaus und begeistern Jahr für Jahr knapp 500.000 Besucherinnen und Besucher.
Ein solches Konzerthaus erfolgreich zu führen bedeutet, divergierende Sphären zusammenzubringen. Die Kunst des Managements besteht darin, die verschiedenen Bereiche – Programm, Marketing, Fundraising, Öffentlichkeitsarbeit – nicht isoliert zu betrachten, sondern inhaltlich miteinander zu verzahnen.
Ein Beispiel dafür mag unser „Fratopia“-Festival sein: ein Wandelkonzertprogramm mit 250 Konzerten an fünf Tagen, ein neues Nähe-Erlebnis durch eine in die Mitte versetzte Bühne, die Utopie eines neu gedachten Konzerthauses der Zukunft, ein verrückter Mix aus Klassik, Jazz, Weltmusik, ein flexibel und individuell anzusteuerndes Programm von Nachmittag bis Mitternacht – all das bei freiem Eintritt. Durch diese stringente Idee und konsequente Öffnung des Hauses gelingt es uns, ein neues, junges und internationales Publikum zu erreichen, weit mehr als 30.000 Besucherinnen und Besucher in fünf Tagen – und zugleich eine Allianz von Förderern zu schmieden, mit Hilfe derer wir das Festival-Budget allein mit privaten Geldern erwirtschaften.
Eine weitere Herausforderung: Wie lässt sich ein eher auf Tradition ausgerichtetes Haus in die Zukunft führen? Wie insbesondere junge Menschen in einen „Kulturtempel“ locken? Uns gelingt dies mit speziellen Ticketangeboten, mit neuen Konzertformaten und Programminhalten, mit digitalen Formen der Kommunikation – und mit Ehrlichkeit: Denn bei aller Agilität und allem Transformationswillen bleiben wir ehrlich und biedern uns nicht an. Konzertbesucher haben ein untrügliches Gespür für Etikettenschwindel und Anbiederung.
Und schließlich: Wie kann ein Konzerthaus in der modernen, digitalen Welt überleben? Wir setzen auf ein Alleinstellungsmerkmal: nämlich Kultur analog zu erleben, von Mensch zu Mensch, in einem sozialen Raum. Die Erfolgsfaktoren der Alten Oper heute sind deswegen so alt wie die Musik selbst: echte Leidenschaft, echter Inhalt, reales Miteinander – ein nachgefragtes Gut in Zeiten von Fake News, gesellschaftlicher Entfremdung und medialer Leere.
DR. MARKUS FEIN, geboren 1971 in Frankfurt am Main. Nach Stationen als Festivalleiter und Intendant u. a. bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern, den Niedersächsischen Musiktagen und den Sommerlichen Musiktagen Hitzacker sowie als Dramaturg bei den Berliner Philharmonikern seit 2020 Geschäftsführer und Intendant der Alten Oper Frankfurt.
Fotos/Illustrationen: Alte Oper Frankfurt