„Wir sehen uns als Spielmacher der Transformation“

E.ON hat seine betriebliche Altersvorsorge (bAV) ganz neu aufgestellt, auch wegen der Übernahme von Innogy samt Pensionsfonds. Stefan Brenk und Jörg Engels erläutern, wie sie Pensionsverpflichtungen und Anlagen in Einklang bringen – und wie sich E.ON in Bezug auf die Energiewende positioniert.

Mit Stefan Brenk und Jörg Engels sprachen Ralf Lochmüller und Laurin Regel
Redaktion Anna-Maria Borse

leitwolf: In den vergangenen zwei Jahren hat sich das Kapitalmarktumfeld extrem verändert, Inflation und Zinsen stiegen stark an. Wie sind Sie damit umgegangen?

Stefan Brenk: Wir haben in der Tat einen Paradigmenwechsel gesehen. Für uns hatte er drei Effekte: Erstens hat sich der steigende Rechnungszins in einem niedrigeren Barwert unserer Verpflichtungen niedergeschlagen. Zweitens führte die Inflation zu einer höheren Anpassung der laufenden Rentenzahlungen. Und drittens geht es um langfristige Anpassungen der Trendannahmen, da die Verpflichtungen perspektivisch stärker steigen könnten als bislang erwartet. Der erste Effekt überwiegt aber bei Weitem, sodass sich unsere Ausfinanzierung insgesamt stark verbessert hat. Und auf der Anlageseite haben wir jetzt die Chance, höhere Renditen für längere Zeit festschreiben zu können.

leitwolf: Unabhängig vom Kapitalmarktumfeld gab es bei Ihnen einige Veränderungen, vor allem durch die Innogy-Übernahme. Könnten Sie kurz erläutern, auf welchen Beinen die bAV bei E.ON – mit Versorgungsverpflichtungen von rund 20 Milliarden Euro per Ende 2022 – nun steht?

Jörg Engels: Wir haben bei E.ON in der bAV mehr oder weniger alle Vehikel, die es in Deutschland zur Ausfinanzierung der Altersvorsorge gibt – angefangen mit weit über 100 Treuhandverhältnissen im CTA (Contractual Trust Arrangement) über Pensionsfondsbestände und Pensionskassen sowie Direktversicherungen und Unterstützungskassen. Diese Komplexität ist in Deutschland wohl einmalig und der langen Historie des Konzerns geschuldet. Das Gros der Kapitalanlagen in Deutschland entfällt mit etwa 12 Milliarden Euro auf CTA-Bestände und rund 2 Milliarden Euro auf den Pensionsfonds. In Großbritannien werden etwa 4 Milliarden Euro Pensionsvermögen verwaltet. Dazu kommen diverse kleinere Vehikel. Außerdem betreuen wir On-Balance-Kapitalanlagen von gut 2 Milliarden Euro.

Stefan Brenk: „Bei Alternatives und in ­Nischen lässt sich mit ESG-Investing viel direkter etwas bewegen.“

CEO Ralf Lochmüller und Relationship Manager Laurin Regel folgen den ­Erläuterungen zur Anlagestrategie.

leitwolf: Managen Sie Ihr Portfolio für jedes Vehikel einzeln?

Stefan Brenk: Unsere Kernaufgabe als Asset Manager eines Konzerns ist die Bilanz­steuerung, nicht die Optimierung auf Vehikelebene. Das heißt, dass die Pensionsverpflichtungen von E.ON zu jeder Zeit erfüllt werden und Bewertungsschwankungen so gemanaged werden, dass die Finanzierungstätigkeit des Konzerns nicht beeinflusst wird. Die Steuerung unseres Portfolios erfolgt daher einheitlich über die unterschiedlichen Vehikel hinweg, zumindest in Deutschland. Dafür erstellen wir alle drei Jahre in Zusammenarbeit mit einem Beratungsunternehmen eine Asset-Liability-Management(ALM)-Studie. De facto schauen wir uns die Entwicklung aber laufend an, vor allem in volatilen Zeiten wie in den vergangenen zwei Jahren.

leitwolf: Haben Sie ein konkretes ­Renditeziel?

Stefan Brenk: Eine harte Renditevorgabe gibt es nicht. Wir steuern die Kapitalanlagen auf Basis einer Kombination mehrerer Ziele. Unter anderem ist eine Zins-Hedge-Ratio vorgegeben. Dabei geht es um die Absicherung der Schwankung unserer ­Pensionsverpflichtungen bei Marktzinsänderungen über entsprechende Gegengeschäfte auf der Anlagenseite. Das Zins-Hedging, das jahrelang eher niedrig war, haben wir in den vergangenen Monaten deutlich ausgebaut. Außerdem haben wir ein aus der ALM-Studie abgeleitetes strategisches Rendite­ziel, das typischerweise über dem Rechnungszins liegen sollte. Nicht zuletzt gibt es noch ein Risikobudget, das für uns ebenfalls ein wichtiges Steuerungselement ist.

leitwolf: Wie sieht Ihre Aufteilung nach ­Anlageklassen aus, beispielsweise im CTA?

Jörg Engels: Das CTA besteht zu rund zwei Dritteln aus liquiden Anlagen wie ­Aktien und Renten und zu einem Drittel aus eher illiquiden Anlagen – konkret: Immobilien, Private Equity, Infrastruktur und Hedgefonds. Auf der Aktienseite unterscheiden wir nach den Regionen Europa, USA und Emerging Markets. Zum Fixed-Income-Bereich gehören Investment-Grade- und High-Yield-Anlagen sowie unser Liability-­Driven-Investment(LDI)-Portfolio, mit dem wir unsere Zins- und ­Inflationsrisiken steuern. Die Aktienquote liegt inklusive Private Equity bei rund 25 Prozent, Immobilien bei etwa 15 Prozent, Infrastruktur bei knapp 5 Prozent und Hedgefonds bei rund 3 Prozent. Der Rest entfällt auf Fixed Income.

„Unsere Kernaufgabe als Asset Manager eines Konzerns ist die Bilanzsteuerung.“

leitwolf: Wie ist das Verhältnis von aktiv zu passiv gemanagten Anlagen?

Jörg Engels: Über die Jahre sind wir auf der liquiden Seite eher passiver geworden. Im Aktienbereich verfolgen wir für die Regionen Europa und USA Core-Satellite-Strategien mit passiven Anlagen als Core und Satelliten wie etwa Small Caps. Für Emerging Markets ist die Aufteilung ausgewogener. Generell setzen wir auf der einen Seite auf sehr benchmarknahe Strategien, auf der anderen Seite auf solche, die vollkommen losgelöst von einer Benchmark sind. Hier haben Manager alle Freiheiten, um Alpha zu generieren.

leitwolf: Wie beeinflusst die Regulatorik Ihr Anlageverhalten?

Stefan Brenk: Alle komplexeren Anlagen, etwa Private Equity und Infrastruktur, erfolgen bei uns im CTA, weniger Komplexes in den regulierten Vehikeln. In dem Sinne ist die Regulierung für uns in der konkreten Umsetzung wichtig, sie beeinflusst aber nicht unsere übergeordnete Asset Allocation. Wünschen würden wir uns, dass Infrastrukturinvestments auch für regulierte Vehikel über eine eigenständige Quote zugelassen werden – immerhin ist der Investitionsbedarf auf Infrastrukturseite unter anderem mit Blick auf die Energiewende immens groß.

leitwolf: Als Energiekonzern ist das Thema Nachhaltigkeit bei Ihnen jeden Tag präsent. Wie setzen Sie Nachhaltigkeit und ESG in Ihrer Kapitalanlage um?

Jörg Engels: Wir sehen uns als Spielmacher der Transformation. Denn ohne E.ON als größtem Netzbetreiber Deutschlands wird die Energiewende nicht funktionieren. Das überträgt sich auch auf die Kapitalanlage. Unsere ESG-Strategie, die über alle Anlageklassen hinweg gilt, haben wir in den vergangenen Jahren zielgerichtet weiterentwickelt, etwa bezüglich der CO2-Intensität im Portfolio. Aber auch Ratings, Ausschlusslisten und Impact Investing spielen eine Rolle. Wichtig ist uns, die ESG-Strategie nicht nur von oben vorzugeben, sondern das Ziel zu definieren und dieses dann gemeinsam mit den mandatierten Managern zu erreichen.

Relationship Manager Laurin Regel fragt nach der Rolle von E.ON in der Energiewende.

Jörg Engels: „Wichtig ist uns, die ESG-Strategie nicht nur von oben vorzugeben, sondern das Ziel zu definieren und gemeinsam mit den mandatierten Managern zu erreichen.“

Jörg Engels ist Diplom-Kaufmann mit Bankausbildung und wechselte 2008 vom Bankhaus Lampe zu E.ON, wo er seitdem als Manager Financial Assets tätig ist. Wenn der Neusser nicht gerade Schützenfest feiert, widmet er sich Family & Friends (und Hund), spielt Golf oder steht als Fan von Borussia Mönchengladbach im Stadion.

Stefan Brenk leitet seit Mai 2023 den Bereich Asset Management & Pension Finance von E.ON. Der Diplom-Kaufmann mit Bankausbildung arbeitet seit 2008 in verschiedenen Funktionen für E.ON, unterbrochen von einer zweijährigen Tätigkeit für thyssenkrupp. In seiner Freizeit fährt Brenk gern Rennrad und Mountainbike, im Winter regelmäßig auch Ski.

„Es ist viel wichtiger, CO2-intensive ­Industrien auf einen Veränderungspfad zu bringen.“

leitwolf: Wie stellen Sie sich der Herausforderung, dass es auf Alternatives-Seite und in Nischen wie im Small Cap-Bereich nicht viele ESG-Daten gibt?

Stefan Brenk: Daten gibt es hier in der Tat weniger. Ich würde aber behaupten, dass ESG-Investing in diesen Bereichen sogar leichter ist. Denn dort können wir als Investor viel direkter etwas bewegen. Für die Alternatives-Seite haben wir ein eigenes, qualitatives Bewertungssystem mit klaren Bewertungskriterien entwickelt. Verbesserungen werden dort sehr transparent erkennbar. Ein Dilemma bleibt allerdings: Wer nur auf die Minimierung von CO2 setzen will und historische Daten verwendet, müsste alle Energie- und Industrieunternehmen verkaufen und nur in Technologieunternehmen und Banken investieren. Für die Beschleunigung der Transformation ist das nicht gerade zielführend. Es ist viel wichtiger, CO2-intensive Industrien auf einen Veränderungspfad zu bringen, also als Investor dort anzulegen, wo der größte Impact erreicht werden kann.

leitwolf: Herr Brenk, Herr Engels, vielen Dank für das Gespräch!

In der Essener Konzernzentrale (von links nach rechts): Laurin Regel, Jörg Engels, Redakteurin Anna-Maria Borse, Stefan Brenk und Ralf Lochmüller.

E.ON

E.ON ist einer der größten Betreiber von Energienetzen und -infrastruktur Europas mit rund 48 Millionen Kunden. Der Essener Konzern setzt sich stark für die Energiewende ein. Anfang 2024 hat E.ON weitere grüne Anleihen im Volumen von 1,5 Milliarden Euro auf den Markt gebracht – zur Finanzierung von Projekten für die Dekarbonisierung der Stromnetzinfrastruktur. Zudem investiert das Unternehmen zusammen mit dem europäischen Investitionsfonds (EIF) in Start-up-Fonds, um grüne Technologien voranzubringen. Der Bereich Asset Management & Pension Finance mit derzeit 16 Mitarbeitenden ist für die finanzwirtschaftliche Steuerung der Pensionsvehikel des Konzerns und das Management der Pensionsvermögen sowie weiterer Kapitalanlagen in Höhe von insgesamt rund 20 Mrd. Euro verantwortlich.

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