THINK ALPHA
„Wasserstoff kann einen erheblichen Beitrag zur Energiewende leisten“
Das deutsche Unternehmen Hydrogenious ist mit seiner LOHC*-Technologie Pionier auf dem Gebiet der Wasserstoffspeicherung. Ralf Lochmüller spricht mit dem Gründer und CEO, Dr. Daniel Teichmann, über seine Innovation, die Bedeutung von Purpose und was die Politik für den Durchbruch von Wasserstoff tun muss.
Redaktion Kathrin Lochmüller
leitwolf: Herr Dr. Teichmann, Sie sind einer der Pioniere der LOHC-Technologie, haben darüber auch an der Universität Erlangen-Nürnberg promoviert. Wie kam es zu Ihrer Unternehmensgründung?
Dr. Daniel Teichmann: Angefangen hat alles mit meiner Doktorandenstelle im Bereich Wasserstoffspeicherung bei BMW. Dort bin ich u. a. auf die LOHC-Technologie gestoßen, die damals noch wenig bekannt war und für automobile Anwendungen getestet wurde. Als sich abzeichnete, dass die Energiewende und die Transformation hin zu erneuerbaren Energien kommen werden, wurde mir mehr und mehr bewusst, dass LOHC eine sehr spannende, zukunftsträchtige Technologie ist, an der ich forsche. Und da mich Unternehmertum schon immer gereizt hat – ich hatte auch während meines Studiums schon eine kleine Firma – habe ich dann mit der Unterstützung meiner Doktorväter Hydrogenious LOHC Technologies gegründet.
leitwolf: Herr Lochmüller, Sie sind Gründer und Gesellschafter von Lupus alpha. Was hat Sie vor 24 Jahren motiviert, das Unternehmen zu gründen?
Ralf Lochmüller: Meine Partner und ich hatten zwar keine bahnbrechende Idee aus der Wissenschaft. Wir waren Ende der 90er-Jahre aber von dem Gedanken des Neuen Marktes inspiriert, über den damals viele junge Unternehmen an die Börse gingen. Nach Jahren bei großen Asset Managern wollten wir mit Lupus alpha eine eigene, bankenunabhängige Investmentgesellschaft gründen. Gestartet sind wir mit Fondslösungen im Segment der europäischen Small & Mid Caps. Falls Hydrogenious LOHC Technologies eines Tages börsennotiert sein sollte, wäre das Unternehmen sicherlich in unserem Fokus (schmunzelt). Heute bieten wir als Multi-Spezialist mehrere spezialisierte Strategien an – immer mit dem Anspruch, für unsere Kunden einen Mehrwert durch Outperformance und außergewöhnlichen Service zu erzielen.
leitwolf: Herr Dr. Teichmann, können Sie kurz erläutern, was das Besondere an Wasserstoff ist?
Dr. Daniel Teichmann: Um die Energiewende zu meistern, kann Wasserstoff einen erheblichen Beitrag leisten. Ein großer Vorteil ist seine emissionsfreie Verwendung, denn wenn man Wasserstoff in Strom umwandelt, entstehen keine CO2-haltigen Abgase, sondern lediglich Wasser. Der Nachteil ist jedoch, dass es sich um ein Gas mit sehr geringer Dichte handelt, was dessen Speicherung und Transport sehr herausfordernd macht. Die Verfahren, Wasserstoff direkt in flüssiger Form oder gasförmig unter Druck zu speichern, sind sehr energieaufwendig. Druck-Wasserstoff eignet sich nur für den Transport über kurze Entfernungen. Flüssiger Wasserstoff lässt sich besser verteilen, muss dafür aber auf minus 253 Grad Celsius herabgekühlt werden, was einen immensen Aufwand und hohe Anforderungen an die Infrastruktur stellt.

Die StoragePLANTS von Hydrogenious LOHC Technologies sind so konzipiert, dass sie den Wasserstoff sicher an einen flüssigen organischen Träger, Benzyltoluol, binden können.
leitwolf: Was leistet vor diesem Hintergrund Ihre LOHC-Technologie?
Dr. Daniel Teichmann: Unsere Lösung ist vergleichsweise einfach: Wir binden den gasförmigen Wasserstoff durch einen chemischen Prozess an ein Thermalöl, um den Wasserstoff zu speichern. Ebenso können wir den Wasserstoff aus dem Öl freisetzen, je nachdem, wo er benötigt wird. Für den Transport kann unsere Technologie die bestehende Infrastruktur für Flüssigbrennstoffe nutzen. Wir können den Wasserstoff also in den heutigen Tankschiffen und Tanklastzügen transportieren. Dabei verdampft nichts und es muss nichts aufwendig gekühlt werden. Das ist ein großer Vorteil gegenüber anderen Transporttechniken, für die erst aufwendig eine Infrastruktur geschaffen werden muss.
leitwolf: Herr Lochmüller, Nachhaltigkeit hat auch in Ihrem Unternehmen und Ihren Anlagestrategien eine hohe Bedeutung. Wie tragen Sie zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen bei?
Ralf Lochmüller: Aktives Management und der enge Austausch mit den Unternehmen fördern nachhaltiges Wirtschaften. Für unsere Fondsmanager ist es wichtig, Unternehmen zu finden, auf deren langfristig positive Geschäftsentwicklung wir vertrauen können. Dazu gehört heute auch, sich nachhaltig und z. B. klimaneutral zu positionieren. Denn nur so können Unternehmen heute Investoren überzeugen und neue Talente für sich gewinnen. In unseren Sustainable-Produkten haben wir die Auswahlkriterien für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung verbindlich festgeschrieben. Auf Unternehmensebene ist ESG eines der wesentlichen Ziele unserer langfristigen Strategie. Wir wollen ESG so in unsere DNA integrieren, dass wir bei der Einhaltung der geltenden Regeln, aber auch bei kommenden Regularien im „driver’s seat“ sitzen.
leitwolf: Herr Dr. Teichmann, wer interessiert sich für Ihre Technologie, wer nutzt diese bereits?
Dr. Daniel Teichmann: Wasserstoff wird seit über 100 Jahren in der Industrie genutzt, d. h., es gibt bestehende Wasserstoffverbraucher, die von grauem, also fossil hergestelltem, Wasserstoff auf grünen Wasserstoff umsteigen wollen oder müssen. Dann gibt es aber eine ganze Reihe von Anwendern, die heute noch nicht mit Wasserstoff arbeiten. Prominent zu nennen ist hier die energieintensive Stahlindustrie, die heute große Mengen Koks einsetzt, um Eisenoxide zu reduzieren, was zu einem hohen CO2-Ausstoß führt. Dies kann man zukünftig auch mit grünem Wasserstoff als Reduktionsmittel machen und ist damit völlig emissionsfrei. Voraussetzung ist, dass sehr große Mengen Wasserstoff zu günstigen Preisen am Stahlwerk bereitgestellt werden.
leitwolf: Woher beziehen Sie die erforderlichen Mengen?
Dr. Daniel Teichmann: Die EU-Kommission geht davon aus, dass etwa die Hälfte des europäischen Bedarfs aus Europa stammt, die andere Hälfte muss aus außereuropäischen Quellen importiert werden, z. B. aus Nordafrika, dem Mittleren Osten, aus Skandinavien oder den USA. Hier zeigt sich wieder der Vorteil von LOHC, denn mit unserer Technologie können wir zum einen den importierten Wasserstoff in die lokalen Partnernetze einspeisen, zum anderen können wir aber auch dezentrale Industrieanwender, die in der Peripherie produzieren, mit Wasserstoff bedienen.
leitwolf: Herr Lochmüller, Sie waren mit Lupus alpha schon öfter Pionier in Ihrer Branche. Wie führen Sie eine neue Anlagestrategie bei Ihren Kunden ein?
Ralf Lochmüller: Unsere Produktinnovationen sind immer von dem Anspruch getrieben, unseren Kunden einen echten Mehrwert zu bieten. Häufig entwickeln wir neue Anlagelösungen gemeinsam mit unseren Kunden. Unsere Produkte gehören damit immer wieder zu den fortschrittlichsten in der Branche, wie zum Beispiel der Lupus alpha Dividend Champions als Fonds, der Dividendenstrategien auf europäische Nebenwerte erweitert, oder der Lupus alpha Sustainable Return und der Lupus alpha Sustainable Convertible Bonds, die Nachhaltigkeitsinvestoren Zugang zu hoch spezialisierten Investmentstrategien ermöglichen. Wichtigste Voraussetzung ist, dass wir immer zuerst ein fundiertes Know-how und entsprechende Teams aufbauen, bevor wir mit einer neuen Anlagelösung an den Markt gehen.
leitwolf: Wie hat sich der Markt in den letzten Jahren verändert?
Ralf Lochmüller: Auf der Investorenseite hat sich die Nachfrage deutlich professionalisiert. Portfolios werden zunehmend sorgfältiger diversifiziert. Dabei geht es häufig um eine breite, länderübergreifende Diversifikation, die auch andere Risikoprämien ins Spiel bringt. Kunden kommen auf uns zu und suchen ausdrücklich nach Möglichkeiten, weitere Risikoprämien zu vereinnahmen oder Alpha mit ihrer Anlage zu erzielen. Da sind sie bei uns als Multi-Spezialisten natürlich genau richtig (schmunzelt)! Auf der Anbieterseite hat sich der Wettbewerb stark intensiviert. Bei Gründung von Lupus alpha haben die großen bankenabhängigen Asset Manager den Markt fast allein dominiert, heute sind auch viele ausländische Anbieter und andere unabhängige Vermögensverwalter in Deutschland aktiv. Daher gilt nach wie vor für uns: Wenn wir gegen die „Vollsortimenter“ der Industrie bestehen wollen, müssen wir in unseren spezialisierten Strategien besser sein als andere.
leitwolf: Herr Dr. Teichmann, Sie sind mit Ihrem Unternehmen nun schon elf Jahre am Markt. Sehen Sie hier inzwischen Mitbewerber?
Dr. Daniel Teichmann: Es gibt zum einen den Wettbewerb um die richtige Technologie, also um die Frage, ob LOHC, Flüssigwasserstoff oder doch Ammoniak am besten zur Wasserstoffspeicherung eingesetzt werden sollte. Hier hat sich inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt, dass eine gewisse Technologieoffenheit sinnvoll ist, denn nicht eine Technologie allein wird in Zukunft alles abbilden können, sondern vermutlich eher zwei, drei oder vier Technologien nebeneinander. Wenn man nur den Markt für LOHC betrachtet, gibt es schon den ein oder anderen Mitkonkurrenten aus Asien, insbesondere Japan, der dasselbe Grundkonzept verfolgt, jedoch mit anderen Trägerstoffen arbeitet. Der Markt für LOHC ist aber im Moment noch in der Phase, in der es weniger um Konkurrenz geht als vielmehr darum, das Thema gemeinsam weiterzuentwickeln und gegenüber der Politik erfolgreich zu vertreten.
leitwolf: Sie sind in den letzten Jahren stark gewachsen. Wie gewinnen Sie junge Talente für Ihren Standort in Erlangen?
Dr. Daniel Teichmann: Vor allem für junge Leute ist es heute entscheidend, dass sie sich mit dem Unternehmen identifizieren können, für das sie arbeiten. Das Mitwirken an der Energiewende, d. h. an einer grünen Lösung für unsere Zukunft, ist etwas, das viele Kandidaten begeistert. Insofern können wir da als interessanter Arbeitgeber mit anderen großen Konzernen gut mithalten. Durch unsere technologiegetriebene Kultur ziehen wir aber natürlich vor allem Ingenieure an, die Spaß und Interesse daran haben, unsere Technologie skalierbar zu machen. Junge Absolventen finden bei uns außerdem ein dynamisches, flexibles Umfeld ohne eingetretene Pfade, in das sie ihre Ideen einbringen und in dem sie Dinge mitgestalten können.

Über den Umgang mit Innovationen in ihren Branchen haben Dr. Daniel Teichmann und Ralf Lochmüller diskutiert.
leitwolf: Herr Lochmüller, der Purpose von Lupus alpha ist nicht ganz so offensichtlich wie der von Hydrogenious LOHC Technologies. Was motiviert junge Menschen, bei einem Asset Manager wie Lupus alpha zu arbeiten?
Ralf Lochmüller: Wir wollen Mehrwert schaffen für alle, die uns Kapital für die finanzielle Vorsorge anvertrauen. Als meine jüngste Tochter ungefähr sechs Jahre alt war, habe ich ihr auf ihre Frage, was Lupus alpha eigentlich so den ganzen Tag macht, geantwortet: Wir machen Rentnerinnen und Rentner glücklich. Da die großen Pensionskassen und Versorgungswerke in Deutschland zu unseren Kunden zählen, trifft es das ganz gut. An diesem Ziel mitzuarbeiten, reizt auch junge Leute. Wir fördern junge Talente, indem wir uns Zeit für sie nehmen, gemeinsam Ziele entwickeln und sie in spannende Projekte einbeziehen. Es gibt bei uns viele junge Kolleginnen und Kollegen, die sich schon direkt nach dem Studium in sehr verantwortungsvolle Positionen im Fondsmanagement, im Vertrieb oder im Produktmanagement hineingearbeitet haben.
leitwolf: Herr Dr. Teichmann, kommen wir zum Schluss noch einmal zur Politik. Was muss aus Ihrer Sicht getan werden, damit der Wasserstoffmarkt in Europa den notwendigen Schub erhält?
Dr. Daniel Teichmann: Die EU will eine führende Rolle im Bereich Wasserstoff spielen. Bereits im Jahr 2030 sollen 20 Millionen Tonnen grüner Wasserstoff bereitstehen. Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, müsste allerdings längst größere regulatorische Klarheit herrschen. Es gibt zwar viele innovative Unternehmen und Pilotprojekte bei uns, aber einen funktionierenden Markt gibt es, Stand heute, nicht. Dafür brauchen wir dringend ein staatliches Anreizsystem, das die Nutzung erneuerbarer Energiequellen wie grünen Wasserstoff mit geeigneten Maßnahmen incentiviert. Herrschen hier Klarheit und Kalkulierbarkeit, wird auch die erforderliche Investitionsbereitschaft einsetzen. Ein attraktiver Wasserstoffmarkt ist eine große Chance, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Europas zu erhöhen. Die Politik muss nur schnell handeln, denn die USA und auch Asien schlafen nicht, sondern sind im Gegenteil bereit, für das Thema Wasserstoff viel Geld in die Hand zu nehmen.
leitwolf: Herr Dr. Teichmann, Herr Lochmüller, wir danken Ihnen für das Gespräch.
* Liquid Organic Hydrogen Carrier
Fotos/Illustrationen: Markus Kirchgessner, Hydrogenious LOHC Technologies, DIE ZWO