WORK ALPHA
Warum menschliche Intelligenz im Asset Management unverzichtbar bleibt
Die erste Euphorie rund um ChatGPT hat sich gelegt, die Entwicklung von Anwendungen mit künstlicher Intelligenz (KI) läuft weiter – auch in der professionellen Kapitalanlage. Asset Manager, die offen für den Einsatz von KI sind, können viele ihrer Prozesse effizienter gestalten. Wo KI für Kunden heute schon einen Mehrwert bietet und wo nicht.
Von Dr. Markus Zuber
Künstliche Intelligenz (KI) hat sich zu einer Basistechnologie entwickelt, die fast alle Bereiche unseres täglichen Lebens verändern wird. Auch im Asset Management hält generative KI immer stärker Einzug. Viele Anwendungen befinden sich noch in der Testphase, eine ganze Reihe sind schon im Einsatz: beim Erstellen von Codes für quantitative Analysen, bei der Auswertung größerer Datenmengen etwa im Optionsmarkt oder bei der Unternehmensanalyse, beim Recherchieren und Vorschreiben von Texten oder Zusammenfassen großer Textmengen – um nur einige Beispiele zu nennen.
Diese Anwendungen können die unterschiedlichen Prozesse im Asset Management schneller, sicherer und effizienter machen. Aber führen sie auch zu besseren Anlageergebnissen? Oder zu einer höheren Kundenzufriedenheit?
Bei der Beantwortung der Frage, ob KI die Performance verbessert, kommt es darauf an, wo und mit welchem Ziel die KI eingesetzt wird.
Wenn es darum geht, Marktanomalien auszunutzen, um überdurchschnittliche Renditen zu erzielen, lässt sich diese Frage zunächst mit „Ja“ beantworten. KI kann in Daten Muster erkennen und so Anomalien aufspüren, die im Markt noch nicht eingepreist sind. Allerdings: In effizienten Märkten bestehen derartige Anomalien nur extrem kurzfristig, weshalb sie sich nur mit Hochfrequenzhandel ausnutzen lassen.

Dr. Markus Zuber ist Partner und leitet als CSO den Vertrieb von Lupus alpha
Abseits des Hochfrequenzhandels, wenn es darum geht, langfristig Alpha zu generieren, dürfte es KI eher nicht möglich sein, überlegene Anlageentscheidungen zu treffen. Und das hat mehrere Gründe:
- Alpha basiert auf Informations- und Wissensvorsprung. Beständig wiederkehrendes Alpha in Blue-Chip-Indizes zu erzielen ist äußerst schwer, da sämtliche Informationen praktisch sofort in die Kurse eingepreist werden. Daran kommt auch eine KI nicht vorbei.
- Entscheidend für langfristiges Alpha sind letztlich Informationen, die im Markt noch nicht vorhanden sind. Solche Informationsineffizienzen gibt es zum Beispiel bei Small und Mid Caps. Wer den Aufwand leistet, Unternehmen aus der zweiten Reihe über Jahre sehr eng und persönlich zu begleiten, kann sich einen Informationsvorsprung, u. a. in Gesprächen mit den Unternehmen, erarbeiten. KI hingegen kann nur vorhandene Daten quantitativ auswerten.
- KI braucht ein stabiles Umfeld. Das Hautkrebsscreening zum Beispiel, in der Medizin das Paradebeispiel für erfolgreichen KI-Einsatz, adressiert ein solches stabiles Umfeld. Die Kapitalmärkte aber sind chaotisch. Emotionen und Interpretationen treiben sie an. Dieselben Daten können so oder anders gedeutet werden. Das macht sie, wortwörtlich, für KI unberechenbar.
Relationship Management: KI macht Kundenansprache und Service professioneller
Auch bei der Beantwortung der Frage, ob KI den Kontakt zum Kunden verbessert, sind einige grundlegende Entwicklungen zu berücksichtigen.
KI beschleunigt nämlich einen Trend, der im Rahmen der Digitalisierung schon seit Jahren läuft und der in der Corona-Pandemie seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht hat: Das persönliche Gespräch wird seltener. Mails werden in der Kundenkommunikation heute häufiger eingesetzt als Telefonate, persönliche Vor-Ort-Termine werden immer öfter durch Videokonferenzen ersetzt, Zwischenmenschliches spielt eine immer geringere Rolle. Auch wenn solche Trends zyklisch sind und das Pendel derzeit wieder in die andere Richtung zeigt, ist davon auszugehen, dass der Vertrieb von Fondsprodukten in Zukunft digitaler erfolgt.
Gleichzeitig werden Investoren immer professioneller. Zum einen, weil sie zunehmend mehr Vorgaben aus Compliance und Regulatorik bei der Kapitalanlage zu beachten haben. Zum anderen, weil Anbieter und Produkte für sie heute fast vollkommen transparent sind und sie daher ganz gezielt nach passenden Bausteinen für ihr Portfolio suchen können. Ausschlaggebend für ihre Anlageentscheidung ist dabei nicht nur eine Top-Performance, sondern vor allem auch ein Top-Service.
Auf diese Entwicklungen müssen sich Asset Manager bei der Betreuung ihrer Kunden einstellen. Sie müssen ihre Kunden zu „Fans“ machen, wenn sie nachhaltig Erfolg mit ihren Produkten und Services haben wollen. KI-Anwendungen können dazu einen wesentlichen Beitrag leisten. Durch die systematische Sammlung und Auswertung von Kundendaten und ‑präferenzen zum Beispiel ermöglichen sie eine gezielte(re) Ansprache mit Anlagethemen, die genau auf die Interessen und Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten sind. Gerade für einen Multi-Spezialisten wie Lupus alpha, der anders als ein „Vollsortimenter“ ausgewählte spezialisierte Anlagestrategien anbietet, ist dieser „Product Fit“ von essenzieller Bedeutung.
Aber auch echte Effizienzgewinne sind mit KI möglich. Die Anwendungen beschleunigen zum Beispiel das Vor- und Nachbereiten von Kundenterminen, indem sie Daten und weiteren individuellen Content für Präsentationen, Wettbewerbsvergleiche oder Reportings liefern. Sie verkürzen damit Response- und Entscheidungszeiträume und tragen so zu einem besseren Kundenservice bei.
Die Technologie ist nicht alles
Es geht aber nicht nur darum, die besten KI-Modelle im Haus zu haben. Es müssen auch die erforderlichen Kompetenzen aufgebaut werden. KI-Anwendungen müssen mit den richtigen Daten gefüttert und trainiert werden, damit sie einen Mehrwert bieten, und dafür braucht man Experten, die sich damit auskennen und die Modelle steuern können. Investitionen in die Weiterbildung und Schulung der verantwortlichen Mitarbeitenden sind daher sehr wichtig. Auch qualifizierte Köpfe und Talente von außen sind hier gefragt, denn KI-Spezialisten finden sich derzeit eher noch außerhalb der traditionellen Asset-Management-Kreise.
Wir stehen bei KI am Anfang der Entwicklung, befinden uns quasi noch im „Wilden Westen“. Der Mehrwert, den KI bietet, zeichnet sich in einigen Prozessen heute schon ab, bei vielen Anwendungen steht er noch aus. Grundsätzlich gilt aber auch im Asset Management: Nicht menschenähnliche Intelligenz sollte das Ziel der KI-Entwicklung sein, sondern KI, die Menschen als Werkzeug zur Seite steht. Die Investitionen in Know-how und Köpfe sind derzeit hoch, diese werden sich jedoch auszahlen. Denn nur wer die Kompetenz besitzt, KI richtig anzuwenden, wird das Potenzial dieser Technologie voll nutzen können.
Fotos/Illustrationen: Annika List
Portfolio Management: Der Wissensvorsprung steckt nicht in den Daten