„Wir verfolgen einen technologieoffenen Ansatz“

MAHLE mag nicht jedem ein Begriff sein. Dabei ist heute jedes zweite Fahrzeug weltweit mit Komponenten des Automobilzulieferers ausgestattet. Wie schafft es das schwäbische Stiftungsunternehmen mit seiner über 100-jährigen Geschichte, innovativ zu bleiben? Und was kann die Finanzbranche davon lernen? Jumana Al-Sibai, Mitglied der MAHLE-­Geschäftsführung, und Ralf Lochmüller im Gespräch über Elektromobilität, Innovationskultur und die Resilienz von Unternehmen.

Redaktion Kathrin Lochmüller

leitwolf: Frau Al-Sibai, MAHLE gehört zu den Top-25-Automobilzulieferern weltweit und zu den „Big Four“ in Deutschland. Was zeichnet die Erfolgsgeschichte Ihres Unternehmens aus?

JUMANA AL-SIBAI: Begonnen haben die Gebrüder Mahle hier in Bad Cannstatt in einer kleinen Werkstatt zur Entwicklung von Zweitaktmotoren. Von dort hat sich das ­Unternehmen kontinuierlich weiterentwickelt, ist früh, bereits Ende der 1950er-Jahre, in die Welt gegangen, und hat seine Marktposition stetig ausgebaut – erst durch organisches Wachstum, später auch durch Zukäufe. Zudem hat MAHLE die Transformation vom Verbrennungsmotor hin zur Elektrifizierung früh erkannt und sich in diesem Bereich ein sehr erfolgreiches Standbein aufgebaut. Für die Zukunft liegt unser Fokus auf den Strategiefeldern Elektromobilität und Thermomanagement.

leitwolf: Für den Bereich Thermomanagement sind Sie im Konzern auch verantwortlich. Warum sind Thermomanagementlösungen so wichtig für die Elektromobilität?

JUMANA AL-SIBAI: Ein leistungsfähiges Thermomanagement ist ein wichtiges Element der Elektrifizierung, besonders bei batterieelektrischen und Brennstoffzellen-Antrieben ist es von zentraler Bedeutung, da die Anforderungen vielseitiger und komplexer sind als beim Verbrennungsmotor. Ein Beispiel ist die Schnellladefähigkeit der Batterie. Eine Verkürzung der Ladezeit führt aufgrund der höheren Stromstärken zu stärkerer Wärmeentwicklung. Um die Batterie dabei vor Beschädigungen zu schützen, bedarf es einer außentemperaturabhängigen, aktiven Kühlung, die wir mit unseren Hochleistungskomponenten ermöglichen. Ebenso wichtig ist den Nutzern von Elektrofahrzeugen natürlich das Thema Reichweite. Mit unseren Wärmepumpensystemen lässt sich der Energieverbrauch im Fahrzeug deutlich reduzieren und die Batteriereichweite damit erhöhen.

Ralf Lochmüller im Gespräch mit Jumana Al-Sibai in der Zentrale von MAHLE in Bad Cannstatt, Stuttgart.

leitwolf: Herr Lochmüller, Sie haben sich mit Lupus alpha zu einem erfolgreichen Multi-Spezialisten entwickelt. Was unterscheidet Ihr Produktangebot von anderen Anbietern?

RALF LOCHMÜLLER: Das „Spezialisten-Gen“ haben wir Lupus alpha bei Gründung quasi mit in die Wiege gelegt. Damals sind wir mit dem gestartet, was wir am besten konnten: mit europäischen Nebenwerten. Uns war klar, dass wir gegen die etablierten Vollsortimenter der Asset-Management-Industrie nur dann eine Chance haben, wenn wir in den spezialisierten Anlagestrategien, die wir anbieten, besser sind. Dieser Philosophie sind wir treu geblieben und haben in den folgenden Jahren weitere spezialisierte Strategien aufgelegt, sobald wir das jeweils erforderliche Know-how dafür aufgebaut hatten. Heute bieten wir sechs Strategiebereiche an – neben europäischen Nebenwerten sind das Wandelanleihen, Volatilität, Wertsicherungs- sowie Risiko-Overlay-Strategien. Sie bieten Investoren vielfältige Möglichkeiten zur Diversifikation innerhalb ihres Aktien- oder Anleiheportfolios, aber auch den Zugang zu alternativen Risikoprämien.

leitwolf: Frau Al-Sibai, MAHLE kann auf eine über 100-jährige Tradition zurückblicken. Wie stellen Sie sicher, dass Ihr Unternehmen innovativ bleibt?

JUMANA AL-SIBAI: Innovation hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Früher gab es oft einen klugen Kopf mit einer klugen Idee, die einen aktuellen Bedarf gedeckt hat. Heute braucht man einen deutlich strukturierteren Prozess, um innovativ zu bleiben. In unserem Innovationsmanagement schauen wir daher zum einen auf interessante Erweiterungen unserer Geschäftsfelder, haben dafür u. a. eine New-Venture-Organisation mit Start-ups aufgebaut sowie einen Inkubator-Prozess etabliert, in dem sich Mitarbeitende mit ihren Ideen bewerben können. Zum anderen treiben wir natürlich klassische Produktinno­vationen voran, die einen systematischen Bewertungsprozess mit Purpose-Fit- und Business-Case-Betrachtung durchlaufen müssen, um ins Portfolio zu gelangen. Das Ganze findet an zwölf R&D-Standorten weltweit statt – zum einen, um Schwerpunktthemen abzudecken, zum anderen, um nah an unseren Kunden zu sein.

leitwolf: Inwiefern binden Sie Ihre Kunden in Produktentwicklungen mit ein?

JUMANA AL-SIBAI: Die Zeiten, in denen Unternehmen in unserer Branche still vor sich hin entwickeln und dann kommt das fertige Produkt heraus, sind vorbei. Es ist vielmehr so, dass wir mit einem Produkt, von dem wir glauben, dass der Markt es braucht, bereits in der frühen Konzeptphase auf Kunden zugehen, um zu erfahren, ob es sich um ein relevantes Produkt handelt, ob wir damit ihre Bedürfnisse treffen. So haben wir es zum Beispiel mit unseren neuen E-Motoren im vergangenen Jahr auf der IAA gemacht.

leitwolf: Herr Lochmüller, wie entstehen innovative Investmentlösungen in Ihrer Branche?

RALF LOCHMÜLLER: Im Asset Management sehe ich einen großen Nachholbedarf, was das Einbinden von Kunden in die Entwicklung neuer Produkte angeht. Häufig werden Produkte einfach an den Markt gebracht – um dann festzustellen, dass sie doch nicht ausgereift waren oder Anlegern keinen Mehrwert bieten. Oft wird auch einfach alter Wein in neuen Schläuchen verkauft, um damit „die nächste Sau durchs Dorf treiben zu können“. Damit verspielt man aber das Vertrauen der Anleger. Denn für gute Finanzprodukte braucht man Zeit und Testmöglichkeiten. Wir legen kein neues Anlagekonzept auf, das wir nicht intensiv getestet und ausgewählten Kunden vorgestellt haben. Da wir ausschließlich institutionelle oder Wholesale-Kunden haben, die wir oft seit vielen Jahren persönlich kennen, können wir hier auf einen vertrauensvollen Austausch bauen.

leitwolf: Frau Al-Sibai, können Sie uns einige Beispiele für Produktinnovationen nennen, die MAHLE hervorgebracht hat?

JUMANA AL-SIBAI: Da würde ich als Erstes unseren elektrischen Klimakompressor nennen. Er sorgt für eine bedarfsgerechte Kühlung des Innenraums und der Batterie und ist damit die Schlüsselkomponente für eine lange Lebensdauer des gesamten Klimasystems. MAHLE bietet als einziger Hersteller besonders leistungsstarke 800-Volt-Kompressoren an und ermöglicht damit zum Beispiel auch den Volllastbetrieb schwerer, elektrifizierter Nutzfahrzeuge. Ein anderes Beispiel ist unsere skalierbare Batteriekühlplatte, mit der wir dafür sorgen, dass die Lithium-Ionen-Batterien in Elektro- und Hybridfahrzeugen in einem optimalen Temperaturfenster gehalten werden – ein extrem sicherheitsrelevantes Thema.

leitwolf: Deutschland hat das Ende des ­Verbrennungsmotors auf EU-Ebene ­gerade verhindert. Jetzt sollen Neuwagen mit ­Verbrennungsmotor auch nach 2035 ­zugelassen werden, sofern diese klimaneu­trale Kraftstoffe tanken können. Welche Konsequenzen hat die Entscheidung für MAHLE?

JUMANA AL-SIBAI: Wir verfolgen einen technologieoffenen Ansatz. Neben Lösungen für die Elektromobilität bieten wir auch weitere Technologiefelder zur Verringerung des CO2-Ausstoßes an, zum Beispiel Brennstoffzellen oder hocheffiziente Verbrennungsmotoren, die auch mit E-Fuels oder Wasserstoff angetrieben werden. Die Weltmärkte haben unterschiedliche Anforderungen an Mobilität und unsere Technologieoffenheit eröffnet uns Wachstumschancen, die wir nutzen wollen. In Europa und China zum Beispiel wird die Elektromobilität beim Pkw in der nächsten Dekade den Verbrenner ablösen. In Nordamerika und anderen Regionen wird die Elektromobilität dominieren, allerdings sehen wir hier auch noch einen Anteil an verbrennungsmotorischer Mobilität. Gerade in dieser Übergangszeit ist ein Technologiemix entscheidend für die erfolgreiche Transformation.

Jumana Al-Sibai hat schon früh ihre Liebe zur Automobilbranche entdeckt. Nach ihrem Wirtschaftsingenieurstudium begann sie ihre berufliche Laufbahn bei der Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners mit Schwerpunkt Automobilindustrie und Maschinenbau. Anschließend stieg sie bei der Robert Bosch GmbH in Stuttgart ein und hatte hier verschiedene leitende Funktionen bis hin zum Bereichsvorstand inne. Seit 2021 ist sie Mitglied der MAHLE-Geschäftsführung sowie Vorsitzende der Geschäftsführung der MAHLE Behr GmbH & Co. KG. Die 50-jährige Wahl-Schwäbin hält nichts von Geschlechterstereotypen und ermutigt junge Frauen zu einer Karriere in der Automobilindustrie.

leitwolf: Herr Lochmüller, in Ihrer Branche ging es in den letzten Jahren vor allem um das Thema ESG. Wie hat das Ihre Produkte und Prozesse verändert?

RALF LOCHMÜLLER: Als aktiver Aktienmanager stehen wir im engen Austausch mit den Unternehmen und fördern nachhaltiges Wirtschaften. Für unsere Fondsmanager ist es wichtig, Unternehmen zu finden, auf deren überdurchschnittliche Geschäftsentwicklung wir vertrauen können. Insofern gehören Governance-Aspekte, also das „G“ in ESG, gerade bei kleineren, schnell wachsenden Unternehmen seit jeher zum Kern unserer Analysen. Seit einigen Jahren gehören nun auch eine Reihe weiterer ESG-Kriterien dazu, die zu berücksichtigen sind und die wir für unsere Sustainable-Produkte verbindlich festgeschrieben haben. Unseren Selektions- und Anlageprozess haben wir somit konsequent um den Nachhaltigkeitsaspekt erweitert.

leitwolf: Frau Al-Sibai, mit Ihren Produkten leisten Sie einen wesentlichen Beitrag für eine CO2-neutrale Umwelt. Wie nachhaltig ist Ihr Produktionsprozess?

JUMANA AL-SIBAI: Nachhaltigkeit ist ein integraler Bestandteil unserer Strategie mit klaren Zielvorgaben: MAHLE wird bis zum Jahr 2040 in seiner Produktion CO2-neutral sein. Bis 2030 werden wir unseren CO2-Ausstoß bezüglich Scope 1, also bei Emissionen aus eigenen Quellen, und Scope 2, d. h. Emissionen aus der Nutzung von zugekaufter Energie, gegenüber dem Referenzjahr 2019 um rund die Hälfte reduziert haben. Der erste große Meilenstein wurde hier bereits 2021 erreicht: Seitdem sind alle deutschen Standorte bezüglich Scope-1- und -2-Emissionen CO2-neutral. Darüber hinaus haben wir vielfältige Maßnahmen ins Leben gerufen, um energieautark zu werden, beispielsweise Strom aus eigenen Fotovoltaik-Anlagen oder aus Wasserkraft zu generieren.

leitwolf: Herr Lochmüller, nach mehr als 20 Jahren am Markt haben Sie inzwischen deutlich mehr neue als alte „Leitwölfe“. Wie schaffen Sie es, Ihre Unternehmenskultur und den Gründergeist zu erhalten?

RALF LOCHMÜLLER: Was uns von Anfang an ausgezeichnet hat, ist der partnerschaftliche Umgang miteinander. Dabei sind wir extrem ehrgeizig. Unser gesamtes Handeln ist klar auf Investmentperformance, auf Alpha, ausgerichtet, aber auch auf enge Kundenbeziehungen, auf Serviceorientierung und Leidenschaft in den jeweiligen Aufgaben. Diese Philosophie versuchen wir neuen Mitarbeitenden zu vermitteln. Für uns ist es wichtig, dass sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit diesen Werten identifizieren, also das „Lupus alpha-Trikot“ tragen – ob das am Empfang ist oder im Fondsmanagement. Am Ende stinkt der Fisch aber immer vom Kopf her. Insofern müssen meine Partnerkollegen und ich die Unternehmenswerte jeden Tag vorleben und uns daran messen lassen.

leitwolf: An den Kapitalmärkten ging es in den letzten Monaten krisenbedingt kräftig auf und ab. Wie gehen Sie in Ihrem Unternehmen damit um?

RALF LOCHMÜLLER: Zunächst ­versuchen wir, Ruhe zu bewahren. Wir haben ja schon einige Krisen seit Gründung von ­Lupus ­alpha erlebt (schmunzelt). Tatsächlich platzte kurz nach dem Launch unseres ersten Fonds im Jahr 2001 die Dotcom-Blase. Das hat uns sehr geprägt. Natürlich beobachten und analysieren wir die Situation sorgfältig, diskutieren Szenarien und suchen aktiv das Gespräch mit unseren Kunden. Wichtig ist aber vor allem, dass wir unserem Fondsmanagement in diesen Zeiten Rückendeckung geben. Wir gewähren unseren Fondsmanagern viel Freiraum, sich in ihren Investmententscheidungen von der Benchmark zu lösen, da wir davon überzeugt sind, dass sich nur so Alpha erzielen lässt. Dafür braucht es aber auch ein Umfeld, das den Fähigkeiten der Teams vertraut. Gerade in Krisenzeiten. Denn je mehr Einflüsse auf die Entscheidungen der Teams einwirken, desto schwieriger wird es, vom Konsens abweichende Kauf- oder Verkaufsentscheidungen zu treffen. Viele Fondsmanager, die in einem solchen Umfeld stark vom Index abweichen und dann zeitweise dem Markt hinterherlaufen, haben oft ein persönliches Jobrisiko. Bei Lupus alpha gibt es das nicht.

leitwolf: Frau Al-Sibai, wie fördern Sie die Resilienz Ihrer ­Mitarbeitenden?

JUMANA AL-SIBAI: Durch die Transformation unserer Branche nicht zuletzt durch die Elektrifizierung sind wir schon seit einiger Zeit mit tiefgreifenden Veränderungen konfrontiert. Wir wissen, dass wir diese nur dann erfolgreich bewältigen, wenn wir uns selbst, unsere Teams sowie letztlich die gesamte Organisation resilienter machen. Hierfür leben wir eine Transformationskultur, die von Offenheit, Transparenz und Vielfalt geprägt ist. Das bedeutet, dass wir innerhalb unserer strategischen Leitplanken ausreichend Raum für Flexibilität und Innovation lassen – oft ein Balanceakt zwischen strategischer Planung und agiler Anpassungsfähigkeit! Zudem versuche ich die Resilienz meiner Teams durch eine gute Kommunikation zu stärken, d. h. dass ich meinen Mitarbeitenden zuhöre, Sorgen und Ängste offen anspreche – übrigens auch meine eigenen – und versuche, ihnen Sicherheit zu geben, dass das Unternehmen einen guten Weg durch die vielfältigen Krisen finden wird.

leitwolf: Was zeichnet den typischen MAHLE-Mitarbeitenden aus?

JUMANA AL-SIBAI: Wir haben natürlich alle das blaue MAHLE-Trikot an! (lacht) Nein, im Ernst: MAHLE-Mitarbeitende zeichnet vor allem eine große Liebe zur Technik aus, das lässt sich bereichs- und länderübergreifend so sagen. Außerdem identifizieren sich unsere Mitarbeitenden sehr mit ihrer Firma. MAHLE agiert als Stiftungsunternehmen ja wie ein Familienunternehmen, steht weniger unter Beobachtung und Druck als börsennotierte Konzerne in unserer Branche, was sich intern in einer vertrauensvollen Zusammenarbeit, aber auch in einer freieren Innovationskultur ausdrückt. Wir haben mehr Zeit für Innovationen und mehr Möglichkeiten, aus Fehlern zu lernen, immer mit dem Ziel, uns weiterzuentwickeln

leitwolf: Herr Lochmüller, Sie hatten bisher vor allem institutionelle und Wholesale-Kunden im deutschsprachigen Raum im Blick. Im vergangenen Jahr haben Sie nun den Schritt ins Ausland gewagt. Was hat Sie dazu bewegt?

RALF LOCHMÜLLER: Im Rahmen unserer Europastrategie haben wir uns für Frankreich als neuen Standort entschieden und im vergangenen Jahr ein Büro in Paris eröffnet. Französische Investoren haben eine große Offenheit gegenüber eigentümergeführten Boutiquen und eine hohe Affinität zu spezialisierten Anlageklassen. Als aktiver Asset Manager wenden wir uns hier vor allem an Investoren, die nach alternativen Lösungen zu traditionellen Anlageklassen suchen. Dabei richten wir uns im ersten Schritt an Wholesale-Investoren wie Family Offices, Privatbanken und Vermögensverwalter. In einem nächsten Schritt wollen wir dort auch institutionelle Anleger ansprechen. Unser Fokus wird aber ganz klar im deutschsprachigen Raum bleiben.

„Die Zeiten, in denen Unternehmen in unserer Branche still vor sich hin entwickeln und dann kommt das fertige Produkt heraus, sind vorbei.“

Ralf Lochmüller fordert für seine Branche, Kunden stärker in die ­Produktentwicklung einzubinden.

Fördert die Resilienz ihrer Teams durch eine offene Kommunikation: Jumana Al-Sibai.

leitwolf: Frau Al-Sibai, Sie sind mit Ihren Produkten weltweit vertreten. Wie beeinflusst die aktuelle „Friendshoring-Debatte“ Ihre Auslandsstrategie?

JUMANA AL-SIBAI: Wir sind mit 160 Produktionsstandorten und 12 großen Forschungs- und Entwicklungszentren in mehr als 30 Ländern vertreten. Dahinter steht der Ansatz „Local for Local“. Wir wollen nah an unseren Kunden sein, dort produzieren und das direkte geografische Umfeld für Einkauf und Beschaffung nutzen. Wie wichtig diese Strategie ist, hat sich in der Corona-Pandemie und spätestens seit dem Ukraine-Krieg gezeigt. Aber auch wir hinterfragen nach den jüngsten Erfahrungen sämtliche Lieferketten und prüfen intensiv deren Risiken. Wir müssen jedoch auch die Wachstumspotenziale im Blick haben. Asien ist ein wichtiger Markt für uns, neben China vor allem Indien. Hier sind wir bereits seit 1958 aktiv und haben eine starke Präsenz mit 13 Standorten. 2022 hatten wir dort unser bestes Jahr und konnten unseren Umsatz um fast 48 Prozent steigern. Wir wollen hier den breiten Einsatz alternativer Antriebe ebnen und gleichzeitig das Potenzial des Verbrennungsmotors, der hier auch in Zukunft wichtig sein wird, weiter ausschöpfen.

leitwolf: Bitte erlauben Sie uns zum Abschluss eine „Genderfrage“. Als Frau auf der obersten Führungsebene sind Sie immer noch die Ausnahme. Welche Empfehlungen geben Sie jungen Frauen, die eine Karriere in der Automobilbranche anstreben?

JUMANA AL-SIBAI: Es gibt in unserer Branche inzwischen durchaus mehr Frauen in Führungspositionen, aber eher in Stabsfunktionen als in operativer Verantwortung. Das mag zum einen an den Vorlieben der Frauen liegen, zum anderen aber sicherlich daran, dass man es ihnen nicht zutraut. Frauen, die eine Karriere in immer noch männerdominierten Bereichen machen wollen, rate ich, authentisch zu bleiben und nicht „männlich“ sein zu wollen, sondern zu ihren weiblichen Stärken zu stehen, sich Role Models zu suchen und den Mut zu haben, an sich selbst zu glauben. Und was am Ende immer – nicht nur für Frauen – ein guter Ratgeber ist: Leistung kommt vor Anspruch.

leitwolf: Frau Al-Sibai, Herr Lochmüller, wir danken Ihnen für das Gespräch

Aus Liebe zur Technik

Begonnen hat alles 1920 in einer kleinen Werkstatt in Bad Cannstatt zur Entwicklung von Zweitaktmotoren. Getrieben von Innovationskraft und Liebe zur Technik gehört MAHLE heute mit einem Umsatz von 12 Mrd. Euro zu den 25 größten Automobilzulieferern der Welt und neben Bosch, Continental und ZF Friedrichshafen zu den „Big Four“ in Deutschland. MAHLE hat frühzeitig auf die Transformation zur Elektrifizierung gesetzt und arbeitet an der klimaneutralen Mobilität von morgen mit Fokus auf Elektromobilität und Thermomanagement sowie weiteren Technologien zur Verringerung des CO2-Ausstoßes wie zum Beispiel Brennstoffzellen oder hocheffiziente Verbrennungsmotoren, die auch mit E-Fuels oder Wasserstoff betrieben werden. Das Stiftungsunternehmen ist mit rund 72.000 Beschäftigten an 160 Produktionsstandorten und 12 großen Forschungs- und Entwicklungszentren in mehr als 30 Ländern vertreten.

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