„Wir möchten selbstbewusste, mutige Spielerinnen“

In dieser leitwolf-Kolumne nehmen Persönlichkeiten aus verschiedenen Branchen zu aktuellen Themen aus ihrem Führungsalltag Stellung.

Von Martina Voss-Tecklenburg

Bei uns in der Frauen-Nationalmannschaft haben wir den Grundsatz: „Formen, um zu performen“. Als Bundestrainerin habe ich dabei die Herausforderung, aus vielen sehr guten Spielerinnen und unterschiedlichen Persönlichkeiten nicht nur ein Team von 11 Spielerinnen auf dem Platz, sondern insgesamt mindestens 23 Spielerinnen zu formen. Dazu kommt noch das gesamte Team hinter dem Team, also das Management, Medical Team, die Medienfachleute, Köche, Security, Fahrer, der Zeugwart etc.

Wie entwickeln wir Spielerinnen? Wir stellen jede einzelne Spielerin in das Zentrum unserer Denkweise, um aus ihrer Perspektive heraus zu agieren und so ihr Potenzial auszuschöpfen. Das A & O für unseren Erfolg: Wir arbeiten mit bestimmten Prinzipien – nicht nur Spiel-Prinzipien, sondern auch solchen, wie wir miteinander umgehen wollen. Unser Anspruch ist es, ein „A-Team“ zu sein. Dabei sind drei As für unseren Erfolg entscheidend:

1. A wie „anspruchsvoll“. Wir setzen uns höchste Ziele. Wir möchten selbstbewusste, mutige Spielerinnen. Spielerinnen, die häufig in eine Eins-zu-eins-Situation gehen. Wir fordern eine Spielerin zur Fehlertoleranz auf, hadern und zweifeln nicht, wenn die erste Aktion nicht gelingt. Wir wollen, dass sich der Gegner zu 70 Prozent nach uns richtet. Wir sind alle ehrgeizig und ich lebe diesen Ehrgeiz auch vor und versuche, durch eigenes Feuer und Leidenschaft zu überzeugen.

2. A wie „ambitioniert“. Wir gehen auf den Platz, um zu gewinnen und nicht, „um nicht zu verlieren“. Das macht etwas mit deinem Gedankengut! Und das macht auch etwas mit den Spielerinnen, wenn du das so formulierst. Sprache kann eine ganze Menge in den Köpfen verändern. Wir wollen Titel gewinnen.

3. A wie „authentisch“. Wir wissen, dass niemand perfekt ist. Wir leben eine sehr gute Feedback-Kultur, können uns auch Dinge sagen, die unangenehm sind. Und auch Dinge, die gut funktionieren. Wir sagen also dem Zeugwart auch mal: „Du machst einen super Job.“ Beim Mittagessen sitzen wir bewusst in gemischten Gruppen. Da isst dann mal der Busfahrer bei den Spielerinnen am Tisch. Es ist extrem wertvoll, wenn Menschen aus verschiedenen Bereichen miteinander kommunizieren. Wir arbeiten respektvoll miteinander, und zwar in allen Bereichen. Oft sind die Menschen im Hintergrund nicht sichtbar, doch wir haben sie sichtbar gemacht. Alle sind wichtig und haben ihre Rolle im Team.

MARTINA VOSS-TECKLENBURG wurde 1967 in Duisburg geboren. Als Spielerin gewann sie mit der deutschen Frauen-Nationalmannschaft vier Europameistertitel (1989, 1991, 1995 und 1997) und wurde 1995 Vizeweltmeisterin. 2018 übernahm sie den Posten der Bundestrainerin der Frauen-Nationalmannschaft, nachdem sie zuvor Trainerin der Schweizer Frauen-Nationalmannschaft war. Mit dem DFB-Team erreichte sie in der Europameisterschaft 2022 den 2. Platz.

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