Was das Erzielen von Alpha braucht

Aktive Manager haben den Anspruch, langfristig eine bessere Rendite zu erzielen als der breite Markt. Manager, denen es gelingt, über mehrere Zyklen hinweg überdurchschnittliche Ergebnisse zu erzielen, sind jedoch eher in der Minderheit. Warum? Was behindert oder begünstigt das Generieren von Alpha? Ein Plädoyer für mehr Freiheit im Portfolio-Management.

Von Ralf Lochmüller

Zinswende und Ukraine-Krieg haben die Kapitalmärkte in den ersten Monaten des Jahres 2022 erneut auf eine harte Probe gestellt. Anleger erleben damit eine weitere Krise in nur kurzer Zeit, denn der Ausbruch der globalen Corona-Pandemie liegt noch nicht lange zurück. Gerade zu Beginn der Pandemie im Jahr 2020 waren die Aktienmärkte geprägt von extrem starken Kurseinbrüchen, gefolgt von ungewöhnlich schnellen Erholungsrallyes.

Diese Phasen sind auch für aktive Manager eine Herausforderung: Ihr Ziel ist es, die ausgeprägte Volatilität in Krisenzeiten zu nutzen und von den häufige Branchenrotationen und schnellen Favoritenwechseln in den einzelnen Märkten zu profitieren. Dafür mussten sie sich in der Pandemie schnell von besonders coronabetroffenen Unternehmen trennen und ihre Portfolios ebenso schnell in Aktien von Pandemiegewinnern umschichten. Auf diese Weise konnten sie teilweise hohe Überrenditen erzielen. Dies gelingt jedoch bei Weitem nicht allen aktiven Managern – was zu der Frage führt, welche Faktoren für ein erfolgreiches aktives Management erforderlich sind.

Ohne Freiheiten kein Alpha

Die Antwort ist offenkundig: Der Schlüssel zur Mehrrendite liegt in der Freiheit des Fondsmanagements, sich in seinen Investment­entscheidungen von der Benchmark lösen zu können. Es muss ihm möglich sein, seine Kompetenz, sein Wissen und seine Erfahrung ungehindert ins Portfolio einbringen zu können. Dafür braucht es ein Umfeld, das in die Fähigkeiten des Teams vertraut. Gerade in Krisenzeiten. Denn je mehr Einflüsse auf die Entscheidungen des Teams einwirken, desto schwieriger wird es, starke, vom Konsens abweichende Kauf- oder Verkaufsentscheidungen zu treffen. Wer aber nur im möglichst breiten Konsens investiert, der wird auch nur die Konsensrendite erzielen – und das ist die Marktrendite und kein Alpha.

Der unterschwellige Zweifel am eigenen Team gipfelt in vielen Fondsgesellschaften in dem Bestreben, Rendite möglichst unabhängig von den handelnden Personen zu erzielen. Dafür werden Investmentprozesse aufgesetzt, welche die Management-Teams oft in ein Korsett zwängen, das kaum noch Raum für kreative Ideen lässt. Diese Vorgehensweise ignoriert jedoch, dass erfolgreiches Management sich aus dem Zusammenspiel aus solidem Handwerk – also dem Investmentprozess – und einem guten Anteil Kunst – den Freiheitsgraden beim Investieren – zusammensetzt. Beides ist nötig, um konsistentes Alpha zu generieren.

„Der Schlüssel zur Mehrrendite liegt in der Freiheit des Managements, sich von der Benchmark lösen zu können.“

Ralf Lochmüller, CEO und Gründungspartner von Lupus alpha.

Viele aktive Manager agieren eher passiv

Hohe Freiheitsgrade mit der Chance auf Alpha schließen zwingend das Risiko schwächerer Phasen mit ein. Dieser Faktor wird von vielen Asset Managern zwar rhetorisch vertreten, in ihren Anreizsystemen spiegelt er sich aber nicht wider. Vielmehr wird in vielen Gesellschaften die Bereitschaft, Risiken zu nehmen, bewusst oder unbewusst unterdrückt. Portfolio-Manager, die in einem solchen Umfeld stark vom Index abweichen und dann zeitweise dem Markt hinterherlaufen, haben ein persönliches Jobrisiko. Investieren sie hingegen nahe am Index, agieren in Wahrheit also eher passiv, stehen sie vermeintlich immer auf der sicheren Seite. Hier liegt ein ganz wesentlicher Grund dafür, dass viele aktive Portfolio-Manager ihrem Vergleichsindex nach Kosten hinterherhinken. Eine Reihe von Fondsgesellschaften bietet mittlerweile aktive und passive Strategien nebeneinander an. Das bringt die Herausforderung mit sich, zwei völlig unterschiedliche Kulturen unter einem Dach zu haben – die des Index-Trackers und die des Alpha-Seekers – mit der Gefahr, die Alpha-Kultur zu verwässern und ein für Talente förderliches Umfeld zu vernachlässigen.

Freiheit ist nicht mit Willkür zu verwechseln

Damit kommen wir zum Investor. Auch er hat einen Anteil am Erfolg einer Investmentstrategie, indem er das für Alpha notwendige Zusammenspiel aus Handwerk und Kunst zulässt. Natürlich braucht es einen nachvollziehbaren Investmentprozess und klare Risikovorgaben – keine Frage. Freiheit ist nicht mit Willkür zu verwechseln. Unstrittig ist aber auch: Je geringer die Freiheitsgrade für ein Mandat definiert sind, desto geringer sind die Chancen auf Alpha. Das ist ein zwingender Zusammenhang. Dem Asset Manager viel Flexibilität einzuräumen, vom Vergleichsindex abzuweichen, erhöht also die Renditechancen. Das gelingt am besten in einer langfristig angelegten Partnerschaft zwischen Investor und Asset Manager. Eine Partnerschaft auf Augenhöhe, die von gegenseitiger Achtung und Respekt geprägt ist und auch schwierige Zeiten übersteht. In der Praxis zeigt sich, dass viele unserer Kunden dazu bereit sind.

„Zur Chance auf Alpha gehört auf der Investorenseite, sich für Spezialsegmente zu öffnen.“

Zur Chance auf Alpha gehört auf Investorenseite zudem, sich für Spezialsegmente zu öffnen. Der These einer effizienten Preisbildung kann man bei Large Caps kaum etwas entgegensetzen. Im DAX, im S&P 500 oder in anderen Leitindizes nachhaltig eine Überrendite zu produzieren, ist kaum zu realisieren. Anders sieht es zum Beispiel bei deutschen und europäischen Nebenwerten aus. Hier lassen sich mit Spezial-Know-how und Marktkenntnis immer wieder Informationsineffizienzen ausnutzen. So haben wir seit Gründung unseres Hauses vor 22 Jahren über unsere Nebenwerte-Strategien hinweg eine Überrendite von mehr als 2 Prozent p. a. nach Kosten erzielt – nicht stetig, aber im Durchschnitt. Langer Atem zahlt sich aus.

Spezialisierte Fondshäuser erfolgreicher

Auch Studien belegen, dass der Spagat zwischen Freiheiten und notwendiger Kontrolle spezialisierten Fondshäusern häufiger gelingt. So kommt beispielsweise die City University of London in ihrer Studie „Is there a Boutique Asset Management Premium?“ zu dem Schluss, dass Fonds kleinerer Anbieter besser abschneiden als die Produkte großer Gesellschaften. Gemäß ihrer Analyse ist diese Prämie besonders ausgeprägt in den Sektoren European Mid/Small Cap und Global Emerging Market, wo sie sowohl wirtschaftlich als auch statistisch signifikant ist. Offenbar sind unabhängige Asset Manager, die keinen Konzernzwängen unterliegen, mit fokussierter Fondspalette und der Bereitschaft, ihren Teams die für Alpha notwendigen Freiheiten einzuräumen, im Vorteil – denn hier darf beides wirken, solides Handwerk ergänzt um das richtige Maß Kunst.

In der Lupus alpha Kolumne leitwolfs view kommentieren Lupus alpha Experten einmal im Monat ausgewählte Kapitalmarktthemen und geben neue Denkanstöße. Wenn Sie den Newsletter abonnieren wollen, können Sie sich unter www.lupusalpha.de/anmeldung registrieren.

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