„Innovation liegt in der DNA von Kärcher“

Die gelben Hochdruckreiniger sind zum Markenbegriff geworden. Man reinigt nicht, sondern „kärchert“ seine Terrasse. Was macht den Erfolg des schwäbischen Familienunternehmens aus? Wie bleibt man als Weltmarktführer innovativ? Hartmut Jenner, Vorsitzender des Vorstands von Kärcher, und Ralf Lochmüller im Gespräch über Produktinnovationen, Hygiene als Megatrend und den Vertrieb in der Zukunft.

Redaktion Kathrin Lochmüller

leitwolf: Herr Jenner, Sie sind seit 30 Jahren für Kärcher tätig, seit 2001 tragen Sie die Verantwortung für das Unternehmen. Was treibt Sie nach 20 Jahren an der Spitze immer noch an?

HARTMUT JENNER: Ich habe 1991 direkt nach meinem Studium bei Kärcher angefangen. Damals waren es stürmische Zeiten für das Unternehmen, der Maschinenbau befand sich in einer Krise. Mit dem Hochdruckreiniger hatte Kärcher ein neues Produkt für Endkunden auf den Markt gebracht, das sich sehr gut verkaufte und für das wir neue Produktionskapazitäten schaffen mussten. So bin ich für Kärcher in die Welt gegangen, habe praktisch alle zwei Jahre eine neue Aufgabe übernommen und die unterschiedlichsten Bereiche geleitet, sodass es nie langweilig wurde. Ich sehe mich als angestellter Unternehmer und nicht als Manager. Wäre ich nicht hier, hätte ich mich vermutlich selbstständig gemacht.

leitwolf: Herr Lochmüller, Sie haben Lupus alpha vor 20 Jahren gegründet. Mittlerweile beschäftigen Sie rund 100 Mitarbeiter und verwalten ein Vermögen von 13 Milliarden Euro. Was motiviert Sie jeden Tag?

RALF LOCHMÜLLER: Wir arbeiten ja in einer Branche, die sich immer wieder auf veränderte Kapitalmärkte einstellen muss, insofern wird es niemals langweilig. Seit Gründung war es unser Ziel, spezialisierte Investmentlösungen abseits des Mainstreams anzubieten. Gestartet sind wir mit Fondslösungen im Segment der europäischen Small & Mid Caps. Wäre Kärcher an einer Börse notiert, wäre das Unternehmen sicherlich in unserem Fokus (schmunzelt). Heute bieten wir zudem CLO-, Wandelanleihen- und liquide Volatilitätsstrategien an – immer mit dem Anspruch, für unsere Kunden einen echten Mehrwert durch eine überdurchschnittliche Performance zu erzielen. Dafür treten meine Kollegen und ich jeden Tag aufs Neue an.

Über die Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten von Innovationen in der Reinigungs- und Asset Management-Branche haben Hartmut Jenner und Ralf Lochmüller diskutiert.

leitwolf: Herr Jenner, Herr Lochmüller, die Corona-Krise begleitet uns nun schon seit mehr als einem Jahr. Wie hat die Pandemie Ihr Geschäft beeinflusst?

HARTMUT JENNER: Wir hatten trotz Corona ein gutes Jahr 2020. Damit war aber zwischenzeitlich nicht zu rechnen, das Geschäft war extrem schwer planbar und heterogen. Nach einem Umsatzeinbruch im April von 25 % waren wir im Juni schon wieder mit 27 % im Plus. Der Privatkundenbereich hat dabei eher profitiert, die Leute wollen es sich in solchen Krisenzeiten in ihrem heimischen Umfeld schön machen. Gewerbliche Bereiche wie zum Beispiel die Gebäudereinigung oder der Verkauf größerer Maschinen an Hotels, Kommunen oder die Industrie haben dagegen gelitten. In Zeiten wie diesen hilft es, dass wir ein breit diversifiziertes Produktportfolio haben.

RALF LOCHMÜLLER: Für uns war es zu Beginn der Krise wichtig, als Unternehmen voll funktionsfähig zu bleiben, im Portfolio- und Risikomanagement, aber auch im Handel. Und mit den Kunden im engen Austausch zu bleiben – wenn nicht persönlich, dann in den neuen digitalen Formaten. Was unsere Anlagestrategien angeht, so war 2020 für unsere Stock-Picking-Ansätze tatsächlich das beste Jahr seit Gründung von Lupus alpha. In unseren Volatilitätsstrategien mussten wir im März einen starken Einbruch hinnehmen, konnten uns aber im Laufe des Jahres wieder deutlich davon erholen. Insgesamt war 2020 herausfordernd, aber ein klasse Jahr für aktives Management!

leitwolf: Herr Jenner, Kärcher ist weltweit ein Synonym für Reinigungstechnik. Das Verb „kärchern“ hat es bis in den Duden geschafft. Wie stellen Sie sicher, dass Sie als Unternehmen innovativ bleiben?

HARTMUT JENNER: Innovation liegt in der DNA von Kärcher. Schon unser Gründer Alfred Kärcher verfolgte das Ziel, immer neue Lösungen für jede Herausforderung zu erfinden. In der Nachkriegszeit hat er den ersten europäischen Heißwasser-Hochdruckreiniger entwickelt. Seine Konstruktion für die Erhitzung des Wassers ist auch heute noch die Basis aller Brenner. Dass wir kontinuierlich innovativ sind, liegt aber auch an unserer Branche, in der noch immer sehr viele Arbeiten manuell erledigt werden. Diese versuchen wir dann mit einer neuen maschinellen Lösung für unsere Kunden ergonomischer, schneller und nachhaltiger zu machen. Derzeit haben wir 3.000 Produkte im Portfolio, darunter Erfindungen wie den ersten tragbaren Hochdruckreiniger, den Akku-Fensterreiniger oder den autonomen Reinigungsroboter.

leitwolf: An welcher Produktinnovation arbeiten Sie gerade?

HARTMUT JENNER: Wir entwickeln im Moment einen völlig neuartigen Luftreiniger, den wir voraussichtlich in zwei Jahren auf den Markt bringen werden. Eigentlich wünsche ich mir aber schon lange ein Schuhputzgerät (lacht). Ein Gerät, in das ich abends meine dreckigen Schuhe hineinstellen und morgens sauber wieder herausnehmen kann. Das ist aber technisch schwierig in der Umsetzung. Die Schuhe haben alle eine unterschiedliche Größe und Form. Dann sind verschiedene Arbeitsabläufe zu absolvieren – nass reinigen, eincremen, polieren. Das ist alles andere als trivial.

leitwolf: Herr Lochmüller, wie entstehen Innovationen im Finanzbereich?

RALF LOCHMÜLLER: Bei Innovationen im Finanzbereich bin ich grundsätzlich skeptisch, weil doch häufig alter Wein in neuen Schläuchen verkauft wird. Für jedes Unternehmen ist es meiner Meinung nach wichtig, von Anfang an ein klares Ziel zu verfolgen. Bei Lupus alpha haben wir uns zum Ziel gesetzt, unsere Kunden bei ihrer Portfolio-Diversifikation optimal zu unterstützen, und zwar mit ökonomisch fundierten Risikoprämien plus dem berühmten „Schuss“ Alpha. Dieses entsteht vor allem durch langjährige Erfahrung und Spezialisierung. Im produzierenden Bereich gibt es zum Teil Patente, auf die sich Innovationen stützen. Bei uns im Asset Management sind Know-how und Ideen allein in den Köpfen der Mitarbeiter.

leitwolf: Herr Jenner, Herr Lochmüller, welche Megatrends sehen Sie für die weitere Produktentwicklung in Ihrer jeweiligen Branche?

HARTMUT JENNER: Reinigung galt ja bisher eher als notwendiges Übel. Durch Corona hat das Thema Hygiene ein völlig neues, besseres Image bekommen. Ich bin mir sicher, dass Hygiene auch nach Corona ein Trend bleiben wird, insofern werden zum Beispiel Dampfreiniger weiterhin gefragt sein, die ja ein wirksames Mittel gegen Viren sind. Neben unserem Hochdruckreiniger halte ich auch die Scheuersaugmaschine, die zur Reinigung großer Flächen zum Beispiel in Flughäfen oder Supermärkten eingesetzt wird, für ein wichtiges Produkt der Zukunft. Dieses werden wir in naher Zukunft auch roboterisiert auf den Markt bringen. Und dann wird sich alles rund um die Akkutechnik weiter durchsetzen. Ich bin davon überzeugt, dass es 2025 in entwickelten Märkten kein mobiles Haushaltsprodukt im Endkundenbereich mehr geben wird, das ein Kabel hat.

RALF LOCHMÜLLER: Beim aktiven Fondsmanagement geht es im Kern um Informationsbeschaffung und effiziente Informationsverarbeitung. Die Megatrends Digitalisierung und künstliche Intelligenz haben der Datenanalyse ganz klar eine zusätzliche Dynamik verschafft. Allerdings glaube ich, dass diese Technologien unser Kerngeschäft lediglich unterstützen, aber nicht übernehmen können. Zur Alpha-Generierung braucht es mehr: Kreativität und gut eingespielte Teams mit exzellentem Urteilsvermögen, um aus der Fülle der Daten ein langfristig erfolgreiches Investment zu machen. Was wir außerdem als Megatrend beobachten, ist das Thema Nachhaltigkeit, das bei Kunden und Anbietern gleichermaßen Einzug hält.

leitwolf: Bleiben wir beim Thema Nachhaltigkeit. Welche Bedeutung haben ESG(Environmental, Social, Governance)-Kriterien bei Lupus alpha und wie setzen Sie diese in Ihren Strategien um?

RALF LOCHMÜLLER: Aktives Management und der enge Austausch mit den Unternehmen fördern nachhaltiges Wirtschaften. Für unsere Fondsmanager ist es wichtig, Unternehmen zu finden, auf deren überdurchschnittliche Geschäftsentwicklung wir vertrauen können. Insofern gehören Governance-Aspekte, das „G“ in ESG, gerade bei kleineren, schnell wachsenden Unternehmen seit jeher zum Kern unserer Analysen. Nun gehören auch weitere ESG-Kriterien dazu, die zu berücksichtigen sind und die wir für unsere Sustainable-Produkte verbindlich festgeschrieben haben. Unseren Selektions- und Anlageprozess haben wir um den Nachhaltigkeitsaspekt somit konsequent erweitert.

leitwolf: Herr Jenner, Nachhaltigkeit spielt auch bei Ihnen seit vielen Jahren eine Rolle. Wie sieht Ihre Nachhaltigkeitsstrategie aus?

HARTMUT JENNER: Wenn man, wie wir, das Reinigen mit Wasser als Kerngeschäft ausübt, gehört es einfach dazu, sich über einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen Gedanken zu machen. Alle unsere Hochdruckreiniger werden zum Beispiel mit mehrfach recyceltem Betriebswasser und nicht mit frischem Trinkwasser getestet. Auch beim Material gibt es eine tolle neue Entwicklung: Wir recyceln gebrauchte Airbags und verarbeiten diese zu Hochdruckreinigern. Wie ernst wir es mit dem Thema Nachhaltigkeit meinen, sieht man auch an unserem nachhaltigen Investitions- und Maßnahmenplan, der jeweils am Anfang des Jahres aufgestellt und weltweit konsequent umgesetzt wird. Eines unserer zentralen Nachhaltigkeitsziele war es, bis 2021 in allen unseren Werken weltweit klimaneutral zu werden. Das haben wir erreicht.

leitwolf: Diese Ziele müssen von allen mitgetragen werden. Sie haben 13.500 Beschäftigte weltweit. Wie schaffen Sie eine gemeinsame Kärcher-Kultur und was genau zeichnet diese aus?

„Wir schreiben unseren Kunden nicht vor, auf welchem Kanal sie unsere Produkte bekommen.“

HARTMUT JENNER: Wenn man Weltmarktführer ist, hat man einen anderen Anspruch an sich selbst, als wenn Sie Nummer zwei oder drei im Markt sind. Wen soll denn die Nummer eins überholen? Deswegen müssen Sie ein ganz anderes Mindset vorleben. Wenn man wie Kärcher Erster ist, muss man bestrebt sein, noch besser Erster zu sein. Neben dem Anspruch, Spitzenleistung zu erreichen, sind verantwortungsvolles Handeln, Hingabe für die Sache und auch Disziplin wichtige Werte, die uns ausmachen. Jeder neue Mitarbeiter erhält diese Werte durch ein Onboarding-Programm „eingekärchert“. Das gilt auch für die Führungskräfte weltweit, die alle eine gewisse Zeit in der Zentrale verbringen müssen, bevor sie hinausgeschickt werden.

leitwolf: Herr Lochmüller, wie gelingt es Ihnen, Ihre Unternehmensphilosophie und den Gründerspirit auch im weiteren Wachstum zu erhalten?

RALF LOCHMÜLLER: Was uns schon von Anfang an auszeichnet, ist der partnerschaftliche Umgang miteinander. Dabei sind wir extrem ehrgeizig. Unser gesamtes Handeln ist klar auf Investmentperformance, auf Alpha, ausgerichtet, aber auch auf enge Kundenbeziehungen, auf Serviceorientierung und Leidenschaft in den jeweiligen Aufgaben. Für uns ist wichtig, dass sich alle Mitarbeiter von Lupus alpha mit diesen Werten identifizieren, sie also das „Lupus alpha Trikot“ tragen – ob das am Empfang ist oder im Fondsmanagement. Am Ende stinkt der Fisch aber immer vom Kopf an zuerst. Insofern müssen meine Partnerkollegen und ich die Unternehmenswerte jeden Tag vorleben und uns daran messen lassen.

Die gelbe Innovationsschmiede

Die Alfred Kärcher SE & Co. KG ist Weltmarktführer und Spezialist für Reinigungstechnik. Das Familienunternehmen mit Hauptsitz im schwäbischen Winnenden beschäftigt weltweit 13.500 Mitarbeiter. Trotz Corona-Krise erzielte Kärcher 2020 einen Rekordumsatz von 2,721 Milliarden Euro. Das Produktangebot reicht vom Hochdruckreiniger über Akku-Fensterreiniger und Luftreiniger bis hin zur kommunalen Kehrmaschine. Vor allem Produkte rund um Hygiene sowie Haus und Garten waren in den Monaten der Pandemie gefragt. Kärcher investiert kräftig in die Themen Robotik und Digitalisierung. Das Unternehmen bietet eine digitale Plattform an, die Reinigung nach Bedarf ermöglicht, etwa in Flughäfen oder Kaufhäusern – je nach Passagier- und Kundenaufkommen sowie Witterungsverhältnissen.

leitwolf: Sie sind beide in sehr kompetitiven Märkten unterwegs. Wie gelingt es Ihnen, junge Talente zu gewinnen und zu halten?

RALF LOCHMÜLLER: Junge Mitarbeiter wollen ernst genommen werden und in spannenden Projekten arbeiten. Für uns spielt die Hierarchie da überhaupt keine Rolle. Wir haben eine Fülle von Beispielen, wo sich junge Kollegen direkt nach dem Studium in sehr verantwortungsvolle Positionen im Fondsmanagement, im Vertrieb oder im Produktmanagement hineingearbeitet haben. Wir fördern diese Talente, indem wir uns Zeit für sie nehmen, gemeinsam Ziele entwickeln und in den Projekten unmittelbar Feedback geben. Während in meiner Generation vielleicht noch die klassische, hierarchische Karriere im Vordergrund stand, geht es den jungen Leuten heute mehr um eine verantwortungsvolle Tätigkeit, enge Feedbackschleifen und Spaß an den Projekten. Hier können wir Älteren noch von den Jüngeren lernen.

HARTMUT JENNER: Wir haben in unserer Region mit Daimler, Porsche und Bosch einen hohen Wettbewerb um Mitarbeiter. Keine Frage, da wird schon stark um die besten Köpfe gerungen. Durch Corona sind wir aber eher im Vorteil, da die Bewerber sehen, was für ein robustes Geschäftsmodell wir haben. Auch schon vor der Krise haben wir viel in unsere Marke und unsere Arbeitgeberattraktivität investiert, die Menschen arbeiten gern für uns – auch weil sie bei uns sehr früh sehr viel Verantwortung haben. Bei uns macht keiner nur den rechten Außenspiegel vom Auto, sondern ganze Kundenlösungen. Auch Führungskräfteentwicklung haben wir schon immer professionell betrieben. 75 % unserer Führungskräfte rekrutieren wir aus eigenen Reihen.

leitwolf: Herr Jenner, Deutschland ist Ihr Heimatmarkt. Inzwischen sind Sie mit Ihren Produkten aber stark im Ausland vertreten. Wo sehen Sie das größte Wachstumspotenzial?

HARTMUT JENNER: Als ich zu Kärcher kam, stammten über 60 % des Umsatzes aus dem deutschen Markt. Heute liegt der Anteil bei 15 %. Wir gehen mit unseren Produkten dorthin, wo die Menschen sind. Auch wenn es banal klingt: Mehr Menschen heißt mehr Reinigung. Geografisch übersetzt heißt das, dass wir vor allem in Asien wachsen. Dort steigen die Einkommen stark an. Die Menschen arbeiten mehr und haben somit weniger Zeit, selbst sauber zu machen. Gleichzeitig steigt die Bereitschaft, Geld für Reinigung auszugeben. In China und Japan sehen wir starkes Wachstum, Indien und Indonesien ziehen nach. Größter Bestandsmarkt sind für uns die USA – das Land mit den meisten versiegelten Flächen.

leitwolf: Herr Lochmüller, Lupus alpha konzentriert sich auf institutionelle und Wholesale-Kunden in Deutschland. Inwiefern kommt für Sie ein Schritt ins Ausland infrage?

RALF LOCHMÜLLER: Unser Fokus wird ganz klar im deutschsprachigen Raum bleiben. Wir haben aber in den letzten Jahren auch einige internationale Kunden über Consultants und Ausschreibungsplattformen dazugewinnen können, ohne dass wir in diesen Ländern vor Ort präsent sind. Ich denke, dass unser Kundenportfolio dadurch in den nächsten Jahren an der einen oder anderen Stelle noch internationaler wird. Darüber hinaus planen wir für unsere Wandelanleihenfonds einen Markteintritt in Frankreich. Wandelanleihen sind in Frankreich eine akzeptierte Anlageklasse, vor allem mit unserem Lupus alpha Sustainable Convertible Bonds Fonds sehen wir hier Wachstumspotenzial.

leitwolf: Meine Herren, zum Abschluss ein Blick in die Zukunft. Wie werden Sie Ihre Produkte in 20 Jahren vertreiben?

RALF LOCHMÜLLER: Die Corona-Pandemie hat gerade eindrucksvoll demonstriert, dass Vertriebsprozesse auch remote funktionieren können. Onlinelösungen werden daher ganz sicher auch nach der Corona-Krise ihren Anteil an der Vertriebsansprache haben, vor allem im Wholesale-Bereich. Aber auch wenn wir in den letzten Monaten Neuabschlüsse tätigen konnten, ohne den Kunden vorher persönlich kennengelernt zu haben, glaube ich dennoch, dass institutionelle Kunden, die individuelle Investmentlösungen suchen, Vertrauen bei der Vergabe eines neuen Mandates brauchen. Deshalb ist das persönliche Gespräch auch in Zukunft durch nichts zu ersetzen.

HARTMUT JENNER: Ich bin der Überzeugung, dass die Verteilung zwischen Online- und Offlinevertrieb vom Produkt und der Branche abhängig ist. Nehmen Sie den Buchmarkt als Beispiel. Dieser wurde als Erster digitalisiert, sein Onlineanteil ist aber seit 2014 stabil. Und es gibt auch Produkte, die lassen sich nicht online vertreiben, zum Beispiel weil für sie eine technische Einweisung gesetzlich vorgeschrieben ist. Wir werden sicherlich mehr Mischformen sehen wie das „Click & Collect“ oder auch die Lieferung vom Hersteller direkt an die Kunden. Der Trend geht zum „Seamless Shopping“. Wichtig ist uns dabei: Wir schreiben unseren Kunden nicht vor, auf welchem Kanal sie unsere Produkte bekommen. Der Kunde darf unsere Produkte dort beziehen, wo er möchte – also nicht nur im Fachgeschäft oder nicht nur online.

leitwolf: Herr Jenner, Herr Lochmüller, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Hartmut Jenner ist gebürtig aus Winnenden, dem Ort nahe Stuttgart, den Alfred Kärcher als Sitz seiner 1935 gegründeten Firma auswählte. Der Sohn einer Landwirtfamilie ist beides: heimatverbunden und weltoffen. Nach dem Studium fängt der Diplom-Kaufmann und Diplom-Ingenieur 1991 bei Kärcher an und geht für das Familienunternehmen in die Welt. Unterschiedlichste Stationen führen Jenner stetig auf der Karriereleiter nach oben. Seit 2001 steht er an der Spitze. Der 55-Jährige sieht sich nicht als Manager, sondern als angestellter Unternehmer, und legt großen Wert darauf, dass alle Kärcherianer das „gelbe Blut“ bekommen.
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