„Auch durch dramatische Ereignisse sollte man sich nicht aus der Ruhe bringen lassen“

Mit 1,9 Mio. Katholiken ist das Erzbistum Köln das größte Bistum in Deutschland. Doch den hohen Einnahmen stehen auch hohe Ausgaben gegenüber – und die Kirchensteuereinnahmen dürften in Zukunft schrumpfen. Durchaus eine Herausforderung für die Vermögensverwaltung des Bistums, für die Finanzdirektor Gordon Sobbeck zuständig ist.

Mit Gordon Sobbeck sprach Ralf Lochmüller. Redaktion Anna-Maria Borse

leitwolf: Als Finanzdirektor des Erzbistums Köln sind Sie verantwortlich für das laufende Budget, aber auch für die Verwaltung des Vermögens von 4,3 Mrd. Euro. Könnten Sie Ihre Aufgaben in der Kapitalanlage erläutern?

Gordon Sobbeck: Unsere grundsätzliche Aufgabe in der Kapitalanlage ist es, die laufende Umsetzung der kirchlichen Aufgaben zu sichern, aber auch langfristige Verpflichtungen abzudecken, etwa Altersversorgungsansprüche der beamtenähnlichen Mitarbeiter. Mit Blick auf die Zukunft gilt es aber auch, demografische Veränderungen abzufedern. Angesichts der auf mittlere und längere Sicht bestenfalls stagnierenden – eher rückläufigen – Kirchensteuereinnahmen sollen die Kapitalerträge helfen, die laufenden Ausgaben zu bewältigen.

leitwolf: Verfolgen Sie bei der Kapitalanlage ein übergeordnetes Renditeziel?

Gordon Sobbeck: Ein übergeordnetes Renditeziel haben wir nicht. Es gibt aber Bereiche, etwa die Altersversorgung, in denen auch Renditeerwägungen eine Rolle spielen. Die Gesamtrendite aus unserer Kapitalanlage lag übrigens seit 2010 bei durchschnittlich 4,9 % im Jahr. Ihr gilt aber nicht unser Hauptaugenmerk, wir orientieren uns eher an der risikoadjustierten Performance, also an der Sharpe Ratio, und die lag in den vergangenen Jahren bei über 110 %.

Gordon Sobbeck im Gespräch mit Ralf Lochmüller, CEO und Gründungspartner von Lupus alpha.

leitwolf: Wie sieht Ihre strategische Asset Allocation aus?

Gordon Sobbeck: Bei der strategischen Asset Allocation achten wir auf größtmögliche Diversifikation, denn diese bietet das einzige kostenlose Hedging im Markt. Wir investieren global, aber mit Schwerpunkt Europa, über alle Sektoren hinweg, und wir arbeiten mit bestimmten Risikobudgets für die Teilvermögen. Zudem investieren wir nur in Anlageklassen, in denen wir die Zielerreichung überprüfen und das Risikomanagement umsetzen können. Unsere strategische Asset Allocation überprüfen wir einmal im Jahr und passen sie entsprechend an. Derzeit entfallen jeweils 34 % auf Staats- sowie Unternehmensanleihen, 20 % auf Aktien und 12 % auf Immobilien über Spezial- und Publikumsfonds.

leitwolf: Hat sich Ihre Asset Allocation durch das anhaltende Niedrigzinsumfeld verändert, etwa in Richtung Sachanlagen?

Gordon Sobbeck: Die genannte Struktur gilt schon länger. Angesichts der Endfälligkeitsrenditen, die Anlagen derzeit bieten, schauen wir aber natürlich auch in Richtung Sachanlagen. Allerdings hat sich in der Corona-Krise noch einmal sehr plastisch dargestellt, wie wichtig auch ein Sicherheitssegment in Form von Staatsanleihen ist. Auf taktische Eingriffe haben wir bewusst verzichtet, nur in einzelnen Teilvermögen haben wir die Schwächephase zur Aufstockung genutzt.

leitwolf: Was sind Ihre Erfahrungen mit aktivem und passivem Investieren?

Gordon Sobbeck: In der Corona-Krise haben wir festgestellt, dass einige regelgebundene Ansätze gegenüber aktiv gesteuerten Mandaten deutliche Nachteile hatten. Dennoch haben passive Investments einen hohen Stellenwert bei uns. Ein zunehmend wichtiger Grund sind die Kosten der Kapitalanlage. Insgesamt bin ich aber davon überzeugt, dass es einen ausreichenden Stilmix geben sollte. Daher nutzt das Erzbistum bei einzelnen Anlageaufträgen gezielt die Expertise von aktiven Portfolio Managern, etwa bei Unternehmensanleihen und auch Aktien – und das mit sehr gutem Erfolg.

leitwolf: Sie hatten die rückläufigen Kirchensteuereinnahmen erwähnt. Was heißt das konkret für Ihr Bistum?

„Das Erzbistum will bis 2030 klimapositiv werden.“

Gordon Sobbeck: Wir hatten für 2020 mit steigenden Einnahmen gerechnet, letztlich ergab sich ein Minus von 3 %, was letztlich deutlich positiver war, als wir während des Jahres befürchtet hatten. Dennoch kommen wir am Sparen nicht vorbei. Wir stellen derzeit im Erzbistum Köln einen „Wirtschaftlichen Rahmenplan 2030“ mit Eckpunkten für die Anpassung des Budgets auf. Prognosen zufolge wird sich die Katholikenzahl im Erzbistum Köln in den nächsten 40 Jahren annähernd halbieren. Für uns ist es angesichts der dann schrumpfenden Kirchensteuereinnahmen eine enorme Herausforderung, das pastoral und gesellschaftlich Wünschenswerte mit dem finanziell Machbaren in Einklang zu bringen.

leitwolf: Die ethisch-nachhaltige Kapitalanlage ist Ihnen als Bistum sehr wichtig. Wie sieht Ihre Nachhaltigkeitsstrategie aus?

Gordon Sobbeck (45) ist seit Juli 2019 Finanzdirektor des Erzbistums Köln. Der gebürtige Sauerländer ist Diplom-Verwaltungswirt und Diplom-Betriebswirt und arbeitete zunächst in der kommunalen Verwaltung und bei der Konrad-Adenauer-Stiftung. 2012 wurde er Finanzdezernent und 2014 Ökonom des Bistums Limburg. Dort ordnete er nach dem Skandal um Bischof Tebartz-van Elst und dessen Rücktritt 2014 die diözesane Vermögensverwaltung neu und setzte sich für größtmögliche Transparenz ein. Sobbeck ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt mit seiner Familie – zu der seit einiger Zeit ein Hund, eine Katze und sechs Hühner gehören – im Westerwald. Ausgleich zum Beruf findet er in der Natur mit Wandern und Joggen.

Gordon Sobbeck: Die Bistümer sind, was ethisch-nachhaltige Anlagekriterien angeht, schon lange in einer Vorreiterrolle. Christliche Wertvorstellungen fließen daher selbstverständlich in unsere Anlagepolitik mit ein. Dafür nehmen wir Einschränkungen, die im Zweifel auch Ertrag kosten können, bewusst in Kauf. Zum Beispiel schließen wir Investitionen in Lebensmittelrohstoffe und Beteiligungen an Hedgefonds aus. Viel getan hat sich zuletzt beim Thema Umwelt. Im Energiesektor verfolgen wir einen Best-in-Class-Ansatz und setzen auf die Unternehmen, die die nötige Transformation am besten voranbringen. Außerdem setzen wir auf anerkannte ESG-Ratings und greifen auf das Know-how von Dienstleistern wie des Research- und Beratungsunternehmens IMUG zurück. Das Erzbistum hat Ende 2020 übrigens ein Visionspapier zur Schöpfungsverantwortung veröffentlicht, mit dem Ziel, bis 2030 klimapositiv und nachhaltig schöpfungsfreundlich zu werden.

leitwolf: Sie arbeiten aber auch mit eigenen Modellen.

Gordon Sobbeck: Wir haben ein eigenes Nachhaltigkeitsmodell für Staaten entwickelt, das auf öffentlich zugänglichen Informationen und Indizes etablierter Institutionen beruht. Der sogenannte „Freedom House“-Index misst den Freiheitsgrad eines Landes, dazu kommen drei weitere Indizes mit den Schwerpunkten Umwelt, Korruption und Rüstung. Aufgrund dieses Ratings werden im Ergebnis rund 40 % der Staaten ausgeschlossen. In chinesische Staatsanleihen investieren wir zum Beispiel nicht.

leitwolf: Stimmen Sie sich mit anderen Erzbistümern ab?

Gordon Sobbeck: Was die konkrete Asset Allocation angeht, sprechen wir uns nicht ab. Im Bereich der Governance und bezüglich der Kriterien für die ethisch-nachhaltige Kapitalanlage gibt es aber durchaus Abstimmungsprozesse. Dort existieren auch einige Initiativen zwischen Diözesen, um zu vergleichbaren Standards und Herangehensweisen zu kommen.

leitwolf: Wie groß ist Ihr Pool an Asset Managern und wie oft tauschen Sie diese aus?

Gordon Sobbeck: Bei der Vergabe von Anlageaufträgen setzen wir auf spezialisierte Asset Manager, die wir Rahmen eines Manager-Monitorings laufend überwachen. Eine Performance ist für uns erst dann aussagekräftig, wenn unterschiedliche Marktzyklen durchlaufen sind. Veränderungen nehmen wir nicht so häufig vor, schon seit einigen Jahren ist unser Managerportfolio, bestehend aus derzeit zwölf Asset Managern, stabil. Meine Erfahrung zeigt: 90 % der Performance beruht auf einem gründlichen Anlageauftrag. Zusammen mit einer hohen Expertise der beauftragten Manager ermöglicht das die sehr stabile Entwicklung.

leitwolf: Verraten Sie uns zum Abschluss Ihre persönliche Dos and Don’ts beim Investieren?

Gordon Sobbeck: Ich zitiere gern die Investorenlegende Warren Buffett: Investiere niemals in etwas, das du nicht verstehst! Außerdem lautet unsere Maxime: Investieren, nicht spekulieren! Eine wichtige Lektion aus der Corona-Krise war aber sicherlich, sich auch durch dramatische Ereignisse nicht aus der Ruhe bringen zu lassen und die Strategie nicht infrage zu stellen.

leitwolf: Herr Sobbeck, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Vor dem Kölner Dom: Gordon Sobbeck (Mitte) mit Ralf Lochmüller und Redakteurin Anna-Maria Borse.

Erzbistum Köln

Das ERZBISTUM KÖLN ist mit 1,9 Mio. Katholiken das größte Bistum Deutschlands und kann auf eine Geschichte von 1.700 Jahren zurückblicken. Organisiert ist das Bistum als Körperschaft des öffentlichen Rechts und es gliedert sich in über 500 Kirchengemeinden und viele weitere Rechtsträger aus den Bereichen Caritas, Bildung und Jugendhilfe. 65.000 hauptamtliche Mitarbeiter arbeiten für das Bistum, in der Hauptabteilung Finanzen sind es 110. Der Wirtschaftsplan des Bistums für 2021 sieht Ausgaben von 937 Mio. Euro vor, mehr als zwei Drittel davon werden durch Kirchensteuern finanziert. Größte Ausgabeposten sind Seelsorge, Altersversorgung, Caritas, Kitas und Schulen/Hochschulen.

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