„Wir wollen den ersten kommerziellen Flugtaxi-Dienst anbieten“

In wenigen Minuten vom Flughafen Heathrow in die Londoner Innenstadt? Das könnte schon bald Realität sein. Das deutsche Start-up Volocopter hat einen elektrisch angetriebenen Multicopter entwickelt, der als Flugtaxi in staugeplagten Metropolen eingesetzt werden soll. Christian Bauer, Chief Commercial Officer von Volocopter, und Michael Frick im Gespräch über Pionierarbeit, die Zukunft des Fliegens und die Kraft einer Vision.

Redaktion Kathrin Lochmüller

leitwolf: Herr Bauer, Volocopter gilt nicht nur als Flugtaxi-Pionier, sondern auch als Vorreiter der gesamten Urban Air Mobility. Was ist Ihre Vision?

CHRISTIAN BAUER: Die Geschichte unseres Unternehmens begann vor rund zehn Jahren. Ausgehend von einer Spielzeugdrohne hatten unsere Gründer Alexander Zosel und Stephan Wolf damals die Idee, die Drohnentechnologie so weiterzuentwickeln, dass ein Mensch damit fliegen kann. Das stellten sie Ende 2011 mit dem ersten bemannten Flug in einem rein elektrisch angetriebenen Senkrechtstarter unter Beweis. Seitdem ist es unser Ziel, einen Urban Air Mobility Service anzubieten, der Menschen schnell von A nach B transportieren kann.

leitwolf: Herr Frick, Lupus alpha hat vor 20 Jahren als neu gegründeter Asset Manager Neuland betreten. Was treibt Sie seitdem an?

MICHAEL FRICK: Eine bankenunabhängige Investmentgesellschaft zu gründen, war im Jahr 2000 in der Tat ungewöhnlich. Von Beginn an war es unser Ziel, spezialisierte  Investmentlösungen abseits des Mainstreams anzubieten. Gestartet sind wir mit Fondslösungen im Segment der europäischen Small & Mid Caps, heute bieten wir zudem Strategien im Bereich Alternative Solutions an – beides mit dem Anspruch, für unsere Kunden einen Mehrwert durch Outperformance und einen herausragenden Service zu erzielen. Dafür treten meine Kollegen und ich jeden Tag aufs Neue an.

leitwolf: Herr Bauer, Ihr „VoloCity“ ist die vierte Generation Ihrer Fluggeräte und das erste, das in Serie gehen soll. Können Sie uns kurz erläutern, wie der VoloCity funktioniert und wo er eingesetzt werden soll?

Über die Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten eines Start-ups in der Luftfahrtbranche und eines unabhängigen Spezialisten im Asset Management haben Christian Bauer und Michael Frick diskutiert.

CHRISTIAN BAUER: Der VoloCity ist ein vollelektrischer Multikopter, der von 18 Motoren und neun Batteriesystemen angetrieben wird und zwei Personen mit einem Gesamtgewicht von 200 Kilogramm an ihr Ziel fliegen kann. Mit einer Reichweite von 30–35 km ist er für den Einsatz auf kurzen Strecken in Metropolen wie London, Paris, Singapur oder Tokio konzipiert. Hier kann er nicht nur einen sicheren, sondern auch äußerst leisen Flug gewährleisten, denn in einer Großstadt zu leben, ist oft schon stressig genug. Der VoloCity eignet sich zum Beispiel optimal dafür, Geschäftsleute vom Flughafen in die Innenstadt zu bringen – ohne Staus und Zeitverzögerungen.

leitwolf: Bei aller Euphorie für die Idee eines Flugtaxis haben die Menschen auch Vorbehalte gegenüber einem Ultraleichtflugzeug, das zudem auch noch autonom fliegen soll. Wie gehen Sie damit um?

CHRISTIAN BAUER: Die Akzeptanz beim Kunden ist ein ganz zentrales Thema für uns. Unsere Studien haben gezeigt, dass die Akzeptanz höher ist, wenn die Bevölkerung unser Produkt besser kennt. Daher gehen wir proaktiv in die Öffentlichkeit, zeigen den Volocopter auf Messen und führen Live-Flüge durch, wie beispielsweise vor dem Mercedes-Benz Museum in Stuttgart im vergangenen Jahr. Auf unserem Flugplatz in der Nähe von Karlsruhe, aber auch in Singapur und Dubai haben wir unsere Volocopter außerdem bereits mehr als 1.000 Flugstunden getestet. Und die Tests gehen weiter.

leitwolf: Herr Frick, wie ist das in Ihrer Branche mit neuen Produkten. Kann man Anlagestrategien im Vorfeld ausreichend testen?

MICHAEL FRICK: Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht neue Finanzprodukte – häufig ungenügend getestet – an den Markt gebracht werden. Damit verspielt man aber das Vertrauen der Anleger. Denn auch für gute Investmentlösungen braucht man Zeit und Teststrecken. Wir hatten dazu vor einigen Jahren ein „Talent-Hotel“ ins Leben gerufen. Dort konnten Kollegen neue Investmentideen mit realem Geld testen. Diesen Ideen wurde erst einmal zwei bis drei Jahre Zeit gegeben, bevor sie als Fonds in den Vertrieb gingen. Das gilt auch heute noch für alle unsere neuen Fondskonzepte: Wir legen keinen Fonds auf, wenn dieser nicht mindestens zwei Jahre lang mit Seed Money getestet wurde.

leitwolf: Herr Bauer, Herr Frick, in Ihren Branchen herrscht jeweils eine hohe Wettbewerbsintensität. Was unterscheidet Ihre Konzepte von denen Ihrer Mitbewerber?

CHRISTIAN BAUER: Erst einmal finden wir es positiv, dass immer mehr Unternehmen an das Flugtaxi-Segment glauben. Dann muss man aber sehen, dass die Mehrheit der 200 bis 300 Konzepte, die es weltweit gibt, bisher noch nicht abgehoben haben, d. h., ca. 80 % kann man hier schon einmal vernachlässigen. Von den verbleibenden Konzepten sind die wenigsten bisher „full scale“, also in Originalgröße geflogen. Und wenn man dann noch schaut, welche Konzepte bereits bemannt geflogen sind, dann bleiben nur eine Handvoll Konzepte übrig. Insofern sind wir hier ganz vorn mit dabei. Der Jet einer unserer Mitbewerbers beispielsweise basiert auf einem Tragflügelkonzept und ist auf mittlere Reichweiten ausgerichtet, etwa für eine Strecke von Stuttgart nach Frankfurt. Wir konzentrieren uns dagegen ausschließlich auf kurze, innerstädtische Strecken. Das Multirotor-Konzept des VoloCity ist dabei deutlich geräuschärmer und benötigt weniger Energie als andere Konzepte.

MICHAEL FRICK: Wir sind ein durch und durch aktiver Manager und konzentrieren uns ausschließlich auf Strategien, die ein hohes Alpha-Potenzial bieten und für die wir eine besondere Expertise haben. Mit unserem neunköpfigen, rein auf Small & Mid Caps spezialisierten Team beispielsweise sind wir seit vielen Jahren Marktführer in Deutschland. Außerdem gehören wir im Bereich der Volatilitätsstrategien, die wir seit mehr als zehn Jahren systematisch ausbauen, zu den führenden Anbietern. Auch in den Spezialthemen Wandelanleihen und CLOs sind wir gut unterwegs.

leitwolf: Herr Bauer, Sie haben gerade eine erfolgreiche Finanzierungsrunde abgeschlossen, in der sich DB Schenker – wie zuvor schon Daimler, Geely u. a. – an Volocopter beteiligt hat. Geht es Ihnen hier um Kapital oder eher um strategische Partnerschaften?

CHRISTIAN BAUER: Wir streben mit unseren Kapitalgebern einen gesunden Mix aus beidem an. Kapitalgeber wie DB Schenker sind auch strategisch mit an Bord, weil sie beispielsweise an unserer Lastendrohne „VoloDrone“ interessiert sind, die Lasten bis 200 Kilogramm transportieren kann und sich daher gut für diverse Logistikleistungen eignet. Geely hilft uns neben der Finanzierung weiteren Wachstums natürlich auch dabei, uns im chinesischen Markt zu positionieren. Nach vorn blickend begrüßen wir somit auch zukünftig strategische und Finanzinvestoren. Bei Interesse gern melden! (lacht)

leitwolf: Herr Frick, als CFO verantworten Sie die Finanzen von Lupus alpha. Wie sieht Ihre Eigentümerstruktur aus?

MICHAEL FRICK: Lupus alpha wurde von fünf Partnern gegründet, die auch heute noch Gesellschafter sind. Ralf Lochmüller, unser CEO, ist jedoch der einzige der Gründungspartner, der noch operativ im Unternehmen tätig ist. Über die letzten Jahre konnten dafür neue Partner und Führungskräfte Anteile an Lupus alpha erwerben, sodass das Unternehmen auch heute zu einem wesentlichen Teil eigentümergeführt ist. Diese Möglichkeit der Beteiligung werden wir unseren Key-Leuten auch zukünftig anbieten. Darüber hinaus haben wir ein Family Office als Finanzinvestor mit an Bord, das uns von Beginn an sehr partnerschaftlich begleitet.

„Wir rechnen mit der Zulassung für den VoloCity in den nächsten zwei bis drei Jahren.“

leitwolf: Bleiben wir bei den Mitarbeitern. Herr Frick, Herr Bauer, Ihre Unternehmen sind in den letzten Jahren jeweils dynamisch gewachsen von anfangs 20 auf heute rund 100 bzw. 150 Mitarbeiter. Wie finden und halten Sie neue Talente?

CHRISTIAN BAUER: Wir haben rund 20 Nationen in unserem Team mit den verschiedensten Ausbildungshintergründen – technische wie kaufmännische – an Bord, die sowohl aus jungen Firmen als auch aus etablierten Unternehmen stammen. Sie alle wollen an der weiteren Entwicklung unserer Multicopter bis hin zum Launch mitwirken. Täglich erreichen uns zudem zahlreiche Initiativbewerbungen. Als innovatives, technikgetriebenes Unternehmen sind wir für Experten und junge Leute gleichermaßen ein spannender und attraktiver Arbeitgeber.

MICHAEL FRICK: Das besondere Know-how unseres Unternehmens hat sich über viele Jahre entwickelt. Viele Mitarbeiter im Portfolio-Management sind beispielsweise seit Gründung von Lupus alpha dabei. Unser Vertriebsteam ist stark gewachsen und besteht heute sowohl aus „alten Hasen“ als auch aus ganz jungen Kollegen, die wir systematisch in ihre Positionen gefördert haben. Dabei gewähren wir unseren Mitarbeitern viel Freiraum, sich zu entwickeln und ihre Ziele zu erreichen. Dieses hohe Maß an Freiheit und unsere besondere Unternehmenskultur sind es, die junge Talente reizen, zu uns zu kommen.

Unter den Wolken

Bald schon sollen Flugtaxis weltweit über Städte fliegen. Der VoloCity des deutschen Start-Ups Volocopter ist ganz vorn mit dabei. In zwei bis drei Jahren erwartet CCO Christian Bauer die Zulassung der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA). Die Vision: Der vollelektrische Zweisitzer fliegt Geschäftsleute und Touristen vom Flughafen in die Innenstadt, umgeht so den Verkehrsinfarkt in den Metropolen und spart seinen Fluggästen Zeit und Nerven. Der VoloCity, der zunächst pilotiert, später aber auch autonom fliegen soll, lässt sich ganz einfach via App zum Flughafen bestellen, von wo der Fluggast seine Reise „seamless“ in die Innenstadt fortsetzen kann. Bis es jedoch so weit ist, müssen Bauer und seine Kollegen den VoloCity serienreif bauen – und dann heißt es testen, testen, testen. Da kommt es sehr gelegen, dass sich neben dem Firmensitz von Volocopter in Bruchsal bei Karlsruhe ein Flugplatz befindet. Bei einem Live-Flug konnte man den VoloCity bereits in Stuttgart vor dem Mercedes-Benz Museum, am Flughafen in Helsinki und in Singapur bewundern.

leitwolf: Wodurch zeichnet sich Ihre Unternehmenskultur aus?

MICHAEL FRICK: Seit unserer Gründung sehen wir Unternehmenskultur nicht nur als Lippenbekenntnis, sondern als differenzierenden Faktor im Wettbewerb. Bei der täglichen Arbeit sowie in den Teammeetings herrscht ein sehr offener Umgang, da begegnen sich alle auf Augenhöhe. Mit regelmäßigen Zielworkshops, Kulturbarometern, Family Days sowie einem eigenen Fitnessraum heben wir uns außerdem positiv von unseren Mitbe­werbern ab. Zudem können unsere Mitarbeiter alle fünf Jahre ein Sabbatical in Anspruch nehmen. Das gilt für Mitarbeiter vom Empfang genauso wie für Mitglieder des Executive Comitees.

leitwolf: Herr Bauer, von der Idee bis zur Serienfertigung ist es in Ihrem Segment ein sehr langer Weg. Wie gelingt es Ihnen, Ihre Mitarbeiter „bei der Stange“ zu halten?

CHRISTIAN BAUER: Wir haben eine tolle Mannschaft, die hoch motiviert ist – auch aktuell in der Corona-Krise. Und wir haben eine gemeinsame Vision, nämlich den ersten kommerziellen Flugtaxi-Dienst mit unserem VoloCity anzubieten. Diese Vision halten wir uns als Team immer wieder vor Augen. Die Meilensteine und Zwischenschritte auf dem Weg dorthin werden von kreativen, agilen Teams erarbeitet, die schnell aus Fehlern lernen und eigenständig Änderungen herbeiführen. Wir haben flache Hierarchien und kurze Entscheidungswege, bieten aber auch darüber hinaus Möglichkeiten zum Austausch und Wissenstransfer – zum Beispiel durch sogenannte interne „Tech Talks“.

leitwolf: Was sind Ihre nächsten Meilensteine? Wann wollen Sie die erste kommerzielle Flugtaxi-Strecke in Betrieb nehmen und wo wird das sein?

CHRISTIAN BAUER: Wir haben die Zulassung für den VoloCity bei der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) beantragt und rechnen mit der Zulassung in den nächsten zwei bis drei Jahren. In dieser Zeit werden wir unser Serienprodukt fertig entwickeln und immer wieder testen. Das ist ein lernender Prozess, in den wir die Luftfahrtbehörde heute schon eng einbeziehen. Die EASA ist sehr fortschrittlich und unterstützend, im Juli 2019 hat sie beispielsweise eine neue Bauvorschrift etabliert, nach der wir unser Serienprodukt nun bauen können. Damit hat sie eine neue Subkategorie geschaffen, vorher gab es nur Flugzeuge oder Helikopter. Wenn wir die Musterzulassung für den VoloCity erhalten haben, wollen wir in ausgewählten Metropolen in Europa, Südostasien und im Nahen Osten starten.

leitwolf: Herr Bauer, Herr Frick, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Christian Bauer verfügt über mehr als zehn Jahre Erfahrung im Mobilitätsbereich, hat u. a. bei Daimler in verschiedenen Funktionen im Business Development und im M&A-Bereich gearbeitet. Bevor Bauer 2018 zu Volocopter kam, leitete er die Abteilung für Hightech-Kooperationen bei Mercedes-Benz, wo er Innovationen schnell zur Serienreife brachte. Als gelernter BWLer und Wirtschaftsinformatiker ist er für alle commerziellen Aspekte bei Volocopter verantwortlich und arbeitet darauf hin, Urban Air Mobility Services zu einem integralen Bestandteil der Transportsysteme weltweit zu machen.
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