„Wir sind ein Generationeninvestor“

Temasek ist eine globale Investmentgesellschaft mit Sitz in Singapur. Obwohl im Besitz des Staates Singapur, kann das Unternehmen unabhängig und frei agieren. Prof. Dr. Dr. h. c. Uwe Krüger, Head Industrials, Business Services, Energy & Resources sowie Joint Head EMEA, spricht über das nachhaltige Prinzip von Temasek, renditeträchtige Branchen der Zukunft und den deutschen Mittelstand.

Mit Prof. Dr. Dr. h. c. Uwe Krüger sprach Ina Lockhart

leitwolf: Herr Professor Krüger, Sie verstehen sich als „Generationeninvestor“. Was verbirgt sich dahinter?

Prof. Dr. Dr. h. c. Uwe Krüger: Zunächst einmal haben wir bei Temasek ein wesentlich breiteres Mandat als typische Investmentfonds. Die Rendite ist ein wichtiges Kriterium, nach dem wir uns ausrichten, aber Nachhaltigkeit im sozialen, gesellschaftlichen und ökologischen Sinne spielt eine ebenso große Rolle. Wir können sehr langfristig in Assets investiert sein, im Zweifel auch unbegrenzt. Und das tun wir vornehmlich mit unserem eigenen Kapital.

leitwolf: Bleiben wir beim Thema Nachhaltigkeit. Wie setzen Sie dieses in Ihrer Organisation um?

Prof. Dr. Dr. h. c. Uwe Krüger: Temasek lebt das Prinzip der Nachhaltigkeit, das in der Charta der Investmentgesellschaft bereits 1974 verankert wurde, auf zweierlei Art. Zum einen sind mit der Organisation 19 Stiftungen verbunden, denen in den vergangenen zwölf Jahren circa zwei Milliarden Euro zugeflossen sind und die nachhaltige Projekte in der Gesellschaft – vornehmlich in Singapur und Asien – finanzieren. Zum anderen setzen wir uns klare, quantifizierbare Ziele zur Nachhaltigkeit: Als Organisation wollen wir bereits im Jahr 2020 CO2-neutral sein. Unser Portfolio soll den CO2-Footprint bis 2030 um 50 % reduziert haben.

leitwolf: Temasek verwaltet derzeit circa 230 Milliarden US-Dollar und hat weltweit rund 600 Unternehmen im Portfolio. Wie viele Mittel legt der Fonds jedes Jahr neu an?

Prof. Dr. Dr. h. c. Uwe Krüger: Jährlich investieren wir zwischen 15 und 25 Milliarden US-Dollar. Das sind keine frischen Mittel, sondern das ist ausschließlich Vermögen, über das Temasek aus Verkäufen, Dividenden und freier Liquidität verfügt. In den vergangenen 18 Monaten haben wir tendenziell mehr verkauft als gekauft. Angesichts der hohen Bewertungen, steigender makroökonomischer Unsicherheit und der höheren Haushaltsverschuldung in den USA sind wir vorsichtiger geworden.

leitwolf: Wie war Ihre Performance im vergangenen Jahr? Gibt Ihnen die Regierung ein Anlageziel vor?

Prof. Dr. Dr. h. c. Uwe Krüger: Nein, wir haben keine staatliche Renditevorgabe. Seit seiner Gründung im Jahr 1974 hat Temasek nach Stand vom 31. März 2019 eine annualisierte Rendite von 15 % erwirtschaftet. Wir sind primär ein Aktieninvestor, der sich über die Börse beteiligt oder an privat gehaltenen Unternehmen. In unserem Portfolio sind alle Reifegrade von Early Stage-Investitionen bis zu großen Beteiligungen an multinationalen Unternehmen vertreten. In der Gesamtbetrachtung haben uns unsere privaten Investments, die 42 % unseres Portfolios ausmachen, eine bessere Rendite beschert als die börsennotierten.

Investmentgesellschaft Temasek aus Singapur

Temasek trägt den alten Namen Singapurs, der übersetzt „Sea Town“ bedeutet. Zwar ist der Staat der Eigner, doch versteht sich Temasek nicht als Staatsfonds im eigentlichen Sinne, da die Institution als Investor unabhängig von Singapurs Regierung agiert. Weder fließen dem Fonds staatliche Zuschüsse zu, noch zahlt er Pensionen oder Renten aus oder verwaltet strategische Währungsreserven. Seine Bonität wird nicht vom Staat garantiert. Was die staatlichen Beteiligungen im Portfolio angeht, begreift sich Temasek als Singapurs professioneller Vermögensverwalter. Derzeit verwaltet der Fonds ein Vermögen von 230 Milliarden US-Dollar, von dem zwei Drittel in Asien angelegt sind. Auf Europa entfallen etwa
10 %, auf die USA 15 %.

leitwolf: In welchen Branchen sehen Sie als Generationeninvestor langfristig Renditepotenzial?

Prof. Dr. Dr. h. c. Uwe Krüger: Agrochemie, Spezialchemie und Industrie 4.0 sind für uns Schwerpunktthemen. Vielversprechendes Potenzial sehen wir auch in den Bereichen Non-Bank Finance, Clean Technologies und Industrial Services-Unternehmen. Schließlich finden wir gerade in Europa auch den aufstrebenden Start-up-Markt spannend.

leitwolf: In den USA ist Temasek mit drei Büros vertreten, in Europa nur mit einem in London. Wie wichtig ist Europa für Temasek?

Prof. Dr. Dr. h. c. Uwe Krüger: In Europa unterhalten wir bislang zwar nur ein Büro, dafür ist London aber die größte Auslandsvertretung nach New York. Außerdem denken wir über die Eröffnung eines zweiten Büros in Kontinentaleuropa nach. Das wäre aber nicht alternativ zu London zu sehen. Vor allem wollen wir als Investor auf einen möglichst großen Talentpool zugreifen. Angesichts des Brexits vermeiden wir dann auch das Thema der Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen.

leitwolf: Wie interessant ist Deutschland für Temasek?

Prof. Dr. Dr. h. c. Uwe Krüger: Deutsche Unternehmen sind und bleiben international führend in vielen zukunftsträchtigen Technologiebereichen. Das gilt vor allem für die sehr innovativen deutschen Mittelstandsunternehmen. Hier können wir als Generationeninvestor langfristiges Wachstumskapital zur Verfügung stellen und Türen in Asien öffnen. Was Investments in mittelständische Unternehmen im Familienbesitz angeht, haben wir Geduld bewiesen. Unser Interesse erlischt nicht in einer schlechten Wirtschaftsphase. Wir steigen genauso ein, wenn die makroökonomische Lage nicht gut ist.

„Unser Interesse an einem guten Investment erlischt nicht in einer schlechten Wirtschaftsphase.“

Prof. Dr. Dr. h. c. Uwe Krüger kam Anfang 2018 zu Temasek. Er ist Teil des 25-köpfigen Senior Management-Teams, das darüber entscheidet, wie die Milliarden der Investmentgesellschaft angelegt werden. Der 55-jährige Deutschschweizer und studierte Physiker lebt in Singapur, pendelt aber regelmäßig in die Schweiz zu seiner Familie. Vor Temasek stand er sechs Jahre lang an der Spitze des Ingenieurdienstleisters WS Atkins und war u. a. für den Private Equity-Investor TPG Capital tätig.

leitwolf: Sind Sie für Temasek nach Singapur gezogen?

Prof. Dr. Dr. h. c. Uwe Krüger: Ja, mein Dienstsitz ist in Singapur. Meine Familie hat aber starke Wurzeln in Zentraleuropa und unser Familiensitz ist nach wie vor in der Schweiz am Zürichsee.

leitwolf: Herr Professor Krüger, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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