Geboren mit dem Resilienz-Gen

Schon zu Beginn waren sie nicht auf Rosen gebettet: Als Lupus alpha vor 20 Jahren gegründet wurde, platzte gerade die Dotcom-Blase, einige Jahre später folgte dann auch noch die Finanzkrise. Die aktuelle Corona-Krise bringt die „Leitwölfe“ daher nicht mehr aus der Fassung. Mit spezialisierten Anlagestrategien und einem besonderen „Spirit“ hat sich Lupus alpha allen Krisen zum Trotz als erfolgreicher Player im deutschen Asset Management etabliert.

Von Anna-Maria Borse

Es muss nicht immer die Garage sein: Der Grundstein von Lupus alpha wurde in der „Hessischen Landvolk-Hochschule“ gelegt. Idyllisch am Taunusrand bei Friedrichsdorf lernen normalerweise Landwirte alles über Steuern und Buchführung, IT oder Jagdrecht. „Die Landvolk-Hochschule war unsere geheime Kommandozentrale‘“, berichtet CEO Ralf Lochmüller. „Da haben wir uns ein Jahr vor der Gründung jeden Montagabend zu fünft getroffen und Fondsstrategien, Marketingkonzepte und operationelle und personelle Szenarien durchgespielt.“ Auch die ersten Bewerbungsgespräche fanden dort statt. „Da wurde man ganz schön gegrillt“, erinnert sich Annett Haubold, die gleich zu Anfang als Marketingfachfrau dazustieß.

Zu fünft hieß: Karl Fickel, Matthias Biedenkapp, Christoph Braun, Volker Friedrich und Lochmüller selbst. Damals war das Quintett noch beim britisch-amerikanischen Asset Manager Invesco tätig. Das Timing war denkbar schlecht: Als die fünf am 1. Oktober 2000 ihre Unterschrift zur Gründung von Lupus alpha setzten, hatten Dotcom-Euphorie und Jubelstimmung an den Märkten schon einige Kratzer bekommen. Und als im Januar 2001 die ersten Lupus alpha Fonds für Small & Mid Caps auf den Markt kamen, war der Neue Markt im Vergleich zu seinem Rekordhoch um zwei Drittel eingebrochen. „Danach ging es über zwei Jahre an den Märkten nur bergab“, berichtet Lochmüller. „Wir hatten ja nur Aktien im Portfolio. Das Neugeschäft lief anfangs sehr schleppend, auch wenn uns viele Kunden einen Vertrauensvorschuss gaben.“

Dass sich Lupus alpha zwei Jahrzehnte später als erfolgreicher Asset Manager etabliert hat, war also alles andere als selbstverständlich. Und dennoch: Aus den anfangs 19 Mitarbeitern sind heute über 90 geworden, aus 10 institutio­nellen Kunden über 150 und aus 300 Mio. Euro Assets under Management rund 12 Mrd. Euro. Aus der Etage im schmucklosen Geschäftshaus in Frankfurts Schillerstraße ist Lupus alpha inzwischen umgezogen in das „Haus am Zentralen Platz“ im modernen Westhafen.

Infiziert vom Gründerspirit der Zeit des Neuen Marktes

Das Jahr 2000 hatte einiges zu bieten: George W. Bush wird US-Präsident und Angela Merkel CDU-Chefin, das Traditionsunternehmen Mannesmann wird Teil von Vodafone, die UMTS-Lizenzen hierzulande werden für sagenhafte 50,8 Mrd. Euro versteigert, Sydney begeistert mit Olympischen Spielen der Superlative und bei der Fußball-Europameisterschaft scheidet die deutsche Nationalelf schon in der Gruppenphase aus.

Und an den Kapitalmärkten? An den Kapitalmärkten herrscht in den ersten Monaten noch beste Laune: Der rasante Kursanstieg der „Volksaktie“ Telekom ist Thema Nummer 1 beim Bäcker und beim Sonntagskaffee. Der DAX klettert im März auf ein neues Allzeithoch von über 8.000 Punkten, der Neue Markt als Segment für Wachstumswerte floriert, am 10. März erreicht der NEMAX ein Rekordhoch von 9.666 Zählern – eine Verneunfachung gegenüber dem Ausgangsjahr 1997. 152 Aktiengesellschaften gehen im Jahr 2000 an die Börse, Newcomer wie EM.TV sind plötzlich höher bewertet als DAX-Titel. „Wir waren infiziert vom Gründerspirit der Zeit“, berichtet Lochmüller.

„Der Gründerspirit darf nicht verloren gehen.“

Die Gründung einer bankenunabhängigen Asset Management-Gesellschaft war damals noch nicht lange möglich, der Markt noch dominiert von bankeneigenen Fondsgesellschaften wie DWS, dit, ADIG, Union Investment, Deka und wenigen ausländischen Adressen. „Bei einem Start-up mitzumachen war etwas Besonderes“, beschreibt Portfolio-Manager und Partner Marcus Ratz, der als „Junior“ von Anfang an an Bord war, die Goldgräberstimmung der späten Neunziger- und anfänglichen Nullerjahre. Auch Michael Frick, heute als CFO für Finanzen und Risikomanagement verantwortlich, brauchte nicht lange, um sich überzeugen zu lassen, er sollte den Bereich Operations aufbauen. „Ich fand die Story extrem spannend: die Möglichkeit, wirklich zu gestalten, anstatt nur zu beraten“, erzählt Frick, der vorher Unternehmensberater bei PwC war. „Vieles war anfangs sehr ‚hands-on‘, es gab viel Learning by Doing. Man hat einfach gemacht“ – ohne große Hierarchien, mit schnellen Abstimmungen. Ratz spricht von „Hey Joe“-Mentalität.

„Es war eine richtige Start-up-Atmosphäre, auch wenn die Männer in Anzug und Krawatte und nicht in Kapuzenjacke und Turnschuhen kamen“, erinnert sich Haubold. Legendär die allabendlichen Küchentreffen: „Oben im Kühlschrank lagen die Softgetränke, unten der Alkohol. Nach 18 Uhr hörte man dann aus der Küche oft das erste ‚Plopp‘.“ Anfangs gab es auch noch einmal im Monat einen Stammtisch, der Rhythmus war aber nicht zu halten: „30 % Ausfälle am nächsten Tag. Manche saßen mit Sonnenbrillen vor den Bildschirmen“, erzählt Michael, genannt „Michi“, Frick.

Abseits des Mainstreams

Das Ziel von Lupus alpha war von Anfang an, Dinge fokussierter und besser zu machen als andere Asset Manager. „Wir wollten uns bewusst abseits des Mainstreams bewegen“, berichtet Lochmüller. Das hieß: nur Fondsprodukte in Asset-Klassen auflegen, die langfristig eine überdurchschnittliche Rendite ermöglichen – und für die ein ganz besonderes Know-how erforderlich ist. „Performance ist alles“, bringt es der fünffache Familienvater auf den Punkt.

Wichtig war zudem von Anfang an: mit Kunden und Kollegen mit Wertschätzung und Achtung umgehen, den offenen Ideenaustausch fördern und konstruktive Kritik zulassen. „Wir kommunizieren hier offen und direkt miteinander – unabhängig von Hierarchien und Abteilungszugehörigkeiten“, so Lochmüller und verweist auf die Unternehmensleitlinien, die schon bei Gründung zu Papier gebracht wurden.

Besonders war laut Lochmüller auch, dass sich die fünf Gründungsmitglieder gut ergänzten, mit ganz unterschiedlichen Stärken und Erfahrungen. Spezialisten verbinden – darauf setzt Lupus alpha auch heute noch. Entscheidend war sicher auch, dass Karl Fickel, der „Mister Neuer Markt“, mit an Bord war, ein echtes Zugpferd. Fickel hatte schon früh an das damals noch kaum beachtete Small & Mid Cap-Segment geglaubt und sich mit dem Neue-Märkte-Fonds bei Invesco, dem ersten Fonds für das Wachstumssegment, einen Namen gemacht.

Nach den ersten Dürrejahren kam 2003 dann die Wende, die Gewinnschwelle wurde erreicht. „Interessanterweise waren es gerade kirchliche Institutionen, die als Erstes an unser Konzept glaubten“, stellt Lochmüller fest. Die erste Auszeichnung als „Manager of the Year“ beim Versorger E.ON folgte. Wegweisend war 2003 auch die Entscheidung, mit ausgewählten Absolute Return-Strategien neben den Small & Mid Caps ein zweites Standbein aufzubauen. In diesem Jahr wurde auch erstmals die 1-Mrd.-Euro-Marke bei den Nettomittelzuflüssen überschritten, 2006 lag das verwaltete Vermögen bereits bei 5 Mrd. Euro.

Die 2008 folgende Finanzkrise stellte das Unternehmen dann abermals auf eine harte Probe, Mandate gingen verloren. Doch hatte sich Lupus alpha am Markt schon einen Namen gemacht und das zweite Standbein zahlte sich aus. Persönlich schwierig für die Wölfe war auch die Zeit, als Gründungspartner Karl Fickel schwer erkrankte, 2010 beruflich kürzertreten musste und 2014 viel zu früh verstarb. Das bayerische Urgestein, bekannt für seine zupackende Art und offenen Worte, ist im Unternehmen immer noch präsent. „Karl hat den Geist und die Kultur von Lupus alpha in besonderer Weise geprägt“, erinnert sich Lochmüller.

Man muss auch „Nein“ sagen können

Entscheidend für den nachhaltigen Erfolg ist auch, zu erkennen, was nicht geht. 2012 musste sich Lupus alpha von seinem „Talent-Hotel“ verabschieden. Das Talent-Hotel war eine 2006 gegründete Start-up-Plattform für innovative Investmentideen, die von Rohstoffanlagen bis hin zu auf neuronalen Netzwerken basierenden Strategien („NeuroBayes“) von Wissenschaftlern der Uni Karlsruhe reichten. „Das war eine schmerzhafte Entscheidung“, bemerkt Lochmüller. Es sei aber extrem wichtig, auch einmal „Nein“ sagen zu können. „Viele Ideen waren gut, haben sich unter realen Bedingungen aber nicht bewährt. Zudem war es während der Finanzkrise schwierig, weitere Seed-Investoren zu finden.“ Ein Fehler war der Aufbau der Ideenschmiede aber nicht. „Das Talent-Hotel hat uns einen Innovationsschub gebracht, von dem unsere Kunden und wir noch heute profitieren“, meint Michi Frick.

Hartnäckigkeit und Durchhaltevermögen in schwierigen Zeiten – das sind neben dem „handwerklichen Können“ dann auch die Charakteristika, die Lupus alpha nach Ansicht von Lochmüller auszeichnen. „Außerdem sind wir immer innovativ geblieben“, erklärt der gebürtige Duisburger und MSV-Fan, der mittlerweile aber auch auf der Eintracht-Tribüne zu finden ist. Innovativ heißt: Lupus alpha legte zum ­Beispiel den ersten Single Hedgefonds einer Kapitalanlagegesellschaft in Deutschland auf und etablierte Volatilität als eigene Anlageklasse. Dazu kamen Wandelanleihen- und CLO-Konzepte. Die Bilanz nach zwei Jahrzehnten lässt sich jedenfalls sehen: 14 Publikumsfonds, 55 Spezialfonds und über 100 Outsourcing-Mandate managt Lupus alpha heute, 139 Awards und Auszeichnungen hat die Gesellschaft gewonnen, der überwiegende Teil der Small & Mid Cap-Fonds weist annualisierte Renditen im zweistelligen Bereich auf.

Dass Lupus alpha heute erfolgreich dasteht, ist aber auch der Tatsache zu verdanken, dass das „Rudel“ nicht nur am Schreibtisch zusammenhält. Die Devise war vielmehr immer: „We work hard. And we play hard.“ „Wir haben eine tolle gemeinsame Zeit bei Stammtischen, beim Skifahren und auf Weihnachtsfeiern“, bemerkt Frick, dem nicht nur im Büro, sondern auch beim Feiern ein besonderes „Durchhaltevermögen“ nachgesagt wird.

Zusammengeschweißt hat die Leitwölfe auch der Sport. Haubold, inoffizielle „Sportministerin“ der Firma, gilt als Antreiberin. Beim Corporate-Challenge-Lauf 2001 war es noch sie, die zwangsverpflichtet wurde – und nicht nur sie. „Es gab gar nicht die Option, nicht teilzunehmen.“ Heute mobilisiert Haubold nicht nur für die Corporate-Challenge-Läufe, sondern auch für den jährlichen Halbmarathon in Offenbach oder Schlammläufe im Knüllwald. Das neueste Sportprojekt: Yoga in den hauseigenen Räumlichkeiten, übrigens auf vielfachen Wunsch der Männer.

Und zwei Jahrzehnte nach der Gründung? „Wir haben uns weiterentwickelt und sind, wie die Branche insgesamt, professioneller geworden“, urteilt Ratz. Bei über 90 Mitarbeitern sei ein gewisses Maß an Struktur und Standardisierung eben auch nötig.

„Wir sind immer innovativ geblieben.“

Auch die Schockstarre durch Corona haben die Lupusianer schnell überwunden. Mit separaten Teams in Büro und Homeoffice, angepassten Systemen und Arbeitsabläufen haben sie ab Tag 1 der Krise „business as usual“ betrieben. „Ich bin Fußballer: Da geht man jeden Tag auf den Platz – egal, was ist“, bemerkt Frick. Alle haben die Ärmel hochgekrempelt, um für die Kunden trotz Krise den bestmöglichen Service anzubieten und gute Ergebnisse zu liefern. „Durch die diversen Rückschläge in den ersten Jahren sind wir sehr robust aufgestellt“, meint Lochmüller. „Diese ‚Resilienz‘ hilft uns nun auch in der aktuellen Krise.“

Der „Gründerspirit“ ist dabei nicht verschwunden. Dafür spricht aus Ratz’ Sicht die Aufgeschlossenheit für Neues, Flexibilität, wenige Hierarchien, jederzeit offene Türen. „Wenn man eine Idee hat, hat man die Chance, diese umzusetzen“, meint Haubold. „Wir sprechen miteinander, geben den Leuten Verantwortung und damit Freiheit“, ergänzt Frick. „In gewisser Weise fühlen wir uns immer noch im Aufbaumodus“, formuliert es Lochmüller. Der Partnerkreis lebe den Gründerspirit. „Der darf nicht verloren gehen – weder bei Rückschlägen noch im weiteren Wachstum.“

2000 versus 2020: Asset Management damals und heute

  • AUM wachsen und wachsen: Im Jahr 2000 wurden von der deutschen Investmentbranche 949 Mrd. Euro an Vermögen verwaltet, Ende 2019 waren es 3.398 Mrd. Euro – dreieinhalbmal so viel.
  • Passives Anlegen floriert: Im Jahr 2000 startete die Deutsche Börse den ETF-Handel mit ersten Produkten auf den Euro STOXX 50 und den STOXX Europe 50, heute sind es fast 1.500 ETFs. Ende 2019 machten ETFs schon 13,6 % am Nettovermögen in offenen Publikumsfonds in Deutschland aus.
  • Mehr ausländische, mehr bankenunabhängige Anbieter: Im Jahr 2000 waren DWS, dit, ADIG, Union Investment und Deka die „Big Five“ der deutschen Asset Manager. Im Jahr 2020 sind es AGI, Universal-Investment, DWS, Union Investment und Deka, dazu kommen ausländische Anbieter wie BlackRock, J.P. Morgan, Amundi und UBS. Bankenunabhängige Häuser verzeichnen besonders hohe Mittelzuflüsse.
  • Wachsende Vielfalt: Im Jahr 2000 dominierten Aktien-, Renten- und Mischfonds. Im Jahr 2020 ist die Palette deutlich größer geworden: Der BVI unterscheidet zusätzlich noch Wertgesicherte Fonds, Geldmarktfonds, Zielvorgabefonds, Lebenszyklusfonds, Hybridfonds, Alternative Anlagefonds und Sachwertefonds (Immobilienfonds). Hinzu kommen Dach- und Feederfonds als Oberbegriffe.
  • ESG als großer Trend: Im Jahr 2000 war nachhaltiges Anlegen noch kein Thema, im Jahr 2020 gehört ESG-Investing zu den ganz großen Trends: 2019 flossen 40 % des Neugeschäfts der offenen Publikumsfonds in nachhaltige Produkte.
  • Veränderte Gesetzgebung: Bis 2004 galt das Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften und das Auslandsinvestmentgesetz, ab 2004 dann das Investmentgesetz, seit 2013 das Kapitalanlagegesetz. Unterschieden wird darin z. B. nach Organismen im Sinne der bereits seit 1985 geltenden OGAW-Richtlinie (UCITS) und allen sonstigen Investmentvermögen als Alternative Investmentfonds (AIF).
INHALT AUSGABE 006INHALT AUSGABE 006