„Man sollte nur in das investieren,
was man versteht“

Als größte öffentlich-rechtliche Versorgungsgruppe Deutschlands legt die Bayerische Versorgungskammer (BVK) großen Wert auf eine breite Diversifizierung und hat schon früh in Alternative Investments investiert. André Heimrich, Vorstand Kapitalanlagen, über Anlagestrategie und Managerauswahl der BVK sowie über seine persönlichen Dos and Don’ts in der Kapitalanlage.

Mit André Heimrich sprachen Ralf Lochmüller und Dr. Markus Zuber. Redaktion Anna-Maria Borse

leitwolf: In Bayern hat etwa jeder fünfte Haushalt Ansprüche auf Leistungen der BVK. Bei dieser Größe: Wie sind Sie organisatorisch aufgestellt?

André Heimrich: Die BVK ist vom Konstrukt her einmalig in Deutschland durch die Bündelung verschiedener Versorgungs- und Zusatzversorgungseinrichtungen sowie mit einem Anlagevolumen von aktuell ca. 85 Mrd. Euro. Ein großer Vorteil dieser Organisation ist, dass wir Synergieeffekte nutzen können. Sei es im Bereich der Kapitalanlage, der EDV oder der Finanzmathematik. Basis der Struktur für die Kapitalanlage ist eine Plattform, die wir 2003 aufgesetzt und seitdem immer weiter verfeinert haben, um die unterschiedlichen Interessen der Versorgungswerke optimal zu bedienen.

leitwolf: Haben Sie ein übergeordnetes Renditeziel für alle Versorgungswerke?

André Heimrich: Unser übergeordnetes Ziel ist die Erfüllung der Versorgungsverpflichtungen. Abgesehen davon haben die einzelnen Versorgungswerke unterschiedliche Rechnungszinsen, aber auch unterschiedliche Finanzierungssysteme. Das klassische Anwartschaftsdeckungsverfahren haben wir in den vergangenen zwei Jahren, vor allem auf der berufsständischen Seite, auf das offene Deckungsplanverfahren umgestellt. Das ist eine Mischung aus Anwartschaftsdeckungs- und Umlageverfahren. Grund hierfür ist, dass das Anwartschaftsdeckungsverfahren in einer Phase sehr niedriger Zinsen nicht so gut funktioniert.

leitwolf: Wie sieht derzeit Ihre Aufteilung nach Anlageklassen aus?

André Heimrich: Rund 40 % der Mittel sind in Anleihen inklusive Anleihefonds angelegt, 13 % in Aktien, 10 % in Beteiligungsinvestments und ca. 20 % in Immobiliendirektanlagen und -fonds. Die Immobilieninvestments haben wir in den letzten Jahren deutlich aufgestockt. Dazu kommen Alternative Investments und Absolute Return-Produkte mit rund 15 %, also etwa Produkte mit asymmetrischem Risikoprofil, Hedgefonds, volatilitäts- und optionsbasierte Ansätze und Wandelanleihen.

ANDRÉ HEIMRICH studierte nach einer Banklehre BWL in Würzburg und startete seine berufliche Laufbahn bei der DG Bank in München. Der Tätigkeit im Volksbankenverbund folgten Stationen im Cash- und Devisenmanagement und Asset Management der Bayernwerk AG sowie als stellvertretender Abteilungsleiter Finanzen beim Versorger E.ON. Von 2002 bis 2013 war Heimrich in verschiedenen leitenden Positionen bei der BVK tätig, seit 2013 ist er Vorstandsmitglied und Leiter des Bereichs Kapitalanlagen. In seiner Freizeit ist er am liebsten sportlich in der Natur unterwegs, im Sommer beim Wandern oder Mountainbiking, im Winter beim Tourenskigehen oder Langlauf. Außerdem liebt er Reisen in exotische Länder.

leitwolf: Warum ist Ihre reine Aktienquote eher niedrig? Welche Erfahrungen haben Sie mit Alternative Investments?

André Heimrich: Wir haben die Aktienquote in den vergangenen Jahren durchaus aufgebaut, doch wir sind limitiert durch die Risikokapitalquote von 35 %. In diese Quote fällt der Großteil der Anlageklassen, die interessant sind, also Infrastruktur, Private Equity, High Yield oder Emerging Markets Debt und Emerging Markets Equity. Eine einzelne Anlageklasse wird bei einer entsprechenden Diversifizierung kein so großes Gewicht erhalten. Von den Alternative Investments haben sich mit Private Equity und Infrastrukturanlagen unsere Erwartungen mehr als erfüllt. Im Bereich Hedgefonds und Timber sind die Ergebnisse unterschiedlich.

leitwolf: Für viele institutionelle Anleger ist das Yale-Modell ein großes Vorbild. Der Freiheitsgrad von Stiftungen ist aber sehr viel größer als der von Versorgungswerken. Wo sehen Sie die größten Unterschiede?

André Heimrich: Durch die Umstellung auf das offene Deckungsplanverfahren haben wir zwar mehr Freiheiten und müssen nicht immer auf den Bilanzultimo schauen. Wir können auch einmal Unterdeckungen aushalten, in holprigen Zeiten antizyklisch handeln und Anlagen so steuern, dass wir mittelfristig unsere Ziele erreichen. Dennoch sind wir stärker reguliert als Stiftungen und müssen die Risikoquote von 35 % beachten.

leitwolf: Wie erschließen Sie sich eine neue Anlageklasse, die Sie für interessant halten?

Ralf Lochmüller, Managing Partner und CEO von Lupus alpha, im Gespräch mit André Heimrich.

André Heimrich: Zu Anfang fragen wir uns, ob diese Anlageklasse überhaupt für unser Vermögen geeignet und ein entsprechendes Volumen am Markt verfügbar ist. Dann durchläuft die Anlageklasse eine Asset Liability-Prüfung und muss sich bewähren. Sie muss beim gleichen Risiko zu einer höheren Rendite oder bei gleicher Rendite zu einem geringeren Risiko führen. Und sie muss einen gewissen Diversifikationseffekt ins Portfolio bringen. Das letzte Thema, dem wir uns zugewandt haben, war übrigens Private Debt.

Dr. Markus Zuber ist Partner und Senior Relationship Manager im Bereich institutionelle Kunden von Lupus alpha.

leitwolf: Sehen Sie Änderungsbedarf in Ihrer strategischen Allokation?

André Heimrich: Alle drei Jahre überprüfen wir unsere strategische Asset Allocation, das steht in diesem Jahr an. Im Moment glauben wir aber, dass wir gut diversifiziert sind und eher nur marginalen Anpassungsbedarf haben.

leitwolf: Passive Strategien gewinnen immer mehr an Bedeutung. Wie stehen Sie dazu?

André Heimrich: Wir sind grundsätzlich Anhänger der aktiven Kapitalanlage – und die Vergangenheit hat uns mit Blick auf das Alpha, das wir erzielen konnten, Recht gegeben. Wir verfolgen aber auch passive Strategien und Smart Beta-Ansätze, zum Beispiel mit gleichgewichteten („equal-weight“) Portfolios. Es gibt Bereiche, aktuell etwa Investment Grade- Unternehmensanleihen, die wenig Grund­ertrag bringen. Da machen möglichst kosteneffiziente Ansätze Sinn. Aktives Management lohnt sich dagegen in Bereichen wie Small und Mid Caps und Emerging Markets-Debt bzw. -Aktien.

leitwolf: Kommen aufgrund der Größe der BVK manche Investmentmöglichkeiten schon nicht mehr infrage?

André Heimrich: Wir sind bereits sehr groß und gehen davon aus, dass wir in den nächsten fünf oder sechs Jahren die 100-Mrd.-Euro-Grenze erreichen. Daher macht es keinen Sinn, in eine Anlageklasse nur ein oder zwei Mrd. Euro zu investieren. Der Aufwand ist zu hoch im Vergleich zum Nutzen und der Effekt für das Portfolio zu gering.

„Wir sind grundsätzlich Anhänger der aktiven Kapitalanlage – und die Vergangenheit hat uns Recht gegeben.“

leitwolf: Wie wählen Sie Asset Manager aus?

André Heimrich: Für etablierte Anlageklassen haben wir eigene Datenbanken aufgebaut. Wenn es um neue Themen geht, bedienen wir uns für den Auswahlprozess auch mal Consultants. Ein Beispiel sind spezielle Immobilieninvestments, etwa in USA oder Asien.

leitwolf: Und wie lange geben Sie Managern, bis Sie sich von Ihnen trennen?

André Heimrich: Ein Manager hat in der Regel drei Jahre Zeit zu beweisen, dass er durch Erzielung von Alpha einen Mehrwert für das Portfolio liefern kann. In Ausnahmefällen, etwa bei einer defensiven Strategie in einem drei Jahre währenden Bullenmarkt, gibt es auch schon einmal eine Verlängerung. Doch nicht nur mangelnde Performance, auch ein Strategiewechsel des Asset Managers kann zu einer Trennung führen. Wir gucken auch dann besonders hin, wenn Schlüsselpersonen für die Steuerung eines Portfolios das Haus verlassen.

Über den Dächern von München: André Heimrich mit Ralf Lochmüller, leitwolf-Redakteurin Anna-Maria Borse und Dr. Markus Zuber.

leitwolf: Kommt es bei Hedgefonds- oder Absolute Return-Strategien stärker auf die richtige Managerselektion an als bei klassischen Anlagen?

André Heimrich: Wir hinterfragen grundsätzlich immer die Managerqualität. Bei Strategien, mit denen Alpha generiert werden soll, ist die Leistungsfähigkeit des Managers aber besonders wichtig. Generell spielen für unsere Managerauswahl harte und weiche Faktoren eine Rolle. Auch Vor-Ort-Besuche bei Managern sind ein bedeutender Baustein für unsere Entscheidung. Diese bringen die harten Fakten manchmal erst zum Vorschein: Zum Beispiel konnte ein Manager, der bei der Präsentation in unserem Haus einen sehr guten Eindruck hinterlassen hatte, beim Vor-Ort-Besuch sein Risikomanagementsystem nicht präsentieren. Offenbar war dieses noch gar nicht fertig. Weiche Faktoren beziehen wir aber ebenso mit ein: Wie wird miteinander gearbeitet? Wie ist die Stimmung im Team?

leitwolf: Wie schaffen Sie es, das erforder­liche Know-how im Haus zu haben?

André Heimrich: Wichtig ist es, erfahrene Leistungsträger zu halten und gleichzeitig junge, talentierte Mitarbeiter einzubinden sowie ihnen Verantwortung zu geben. Wir entwickeln systematisch Führungsnachwuchs und versuchen, Führungspositionen aus den eigenen Reihen zu besetzen. So haben wir eine hohe Kontinuität im Team, auf die wir sehr stolz sind. Und mit dem entsprechenden Know-how im Haus finden Gespräche mit Managern auf einer ganz anderen Ebene statt.

leitwolf: Die Asset Management-Branche wandelt sich derzeit stark, ein Schlagwort ist künstliche Intelligenz. Wie stehen Sie als Investor dazu?

André Heimrich: Beim Einsatz von künstlicher Intelligenz im Asset Management handelt es sich um keine neue Anlageklasse, sondern um eine neue Herangehensweise. Wir werden uns dieses Thema genau anschauen und prüfen, ob so etwas in unser Portfolio passt. Oft wird allerdings auch alter Wein in neuen Schläuchen verkauft. Quantitatives Investieren gibt es ja schon lange. Wir haben schon relativ früh auf quantitatives Asset Management gesetzt und waren damit sehr erfolgreich.

leitwolf: Was sind Ihre persönlichen Dos and Don’ts in der Kapitalanlage?

André Heimrich: Zum einen ist es eine Todsünde, in etwas zu investieren, was man nicht versteht. Ich denke da zum Beispiel an einige strukturierte oder stark gehebelte Produkte. Nur wenn man ein Produkt versteht, kann man es auch sinnvoll in ein Portfolio einbauen. Zum anderen sollte man sich bewusst darüber sein, was man kann und was man nicht kann. Manchmal muss man erkennen: Dieses Spezialistenwissen haben wir nicht, da lassen wir lieber die Finger davon. Nicht zuletzt sollte man, wenn man eine Entscheidung getroffen hat, auch eine gewisse Zeit durchhalten. Manche Entscheidungen muss man zwar wieder korrigieren, doch es zahlt sich oft aus, auf Kontinuität zu setzen.

leitwolf: Herr Heimrich, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Bayerische Versorgungskammer (BVK)

Die BVK führt die Geschäfte von zwölf berufsständischen und kommunalen Altersversorgungseinrichtungen – von der Bayerischen Ärzteversorgung, der Versorgungsanstalt der Kaminkehrergesellen bis hin zum Versorgungswerk des Bayerischen Landtags. Die BVK, Oberbehörde des Freistaats Bayern im Geschäftsbereich des Bayerischen Innenministeriums, managt für alle Einrichtungen zusammen ein Volumen von 77 Mrd. Euro (Buchwert, Marktwert: 85 Mrd. Euro) für die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung für 2,3 Millionen Versicherte und Leistungsempfänger. 2018 waren etwa 8 Mrd. Euro anzulegen aus Beitragseinnahmen, Kapitalanlageerträgen und fälligen Anleihen. Die BVK hat gut 1.300 Mitarbeiter, um die Kapitalanlage kümmern sich rund 40 Experten.

INHALT AUSGABE 005