„Wir legen großen Wert auf langfristige Partnerschaften“

Eigentlich wollte er Lehrer werden. Dann verschlug es den Yale-Doktoranden an die Wall Street. Doch schon nach kurzer Zeit zog es David F. Swensen wieder zurück zu seiner Alma Mater. Als Schöpfer des „Yale-Modells“ machte der Amerikaner das Stiftungsvermögen zu der wichtigsten Finanzierungsquelle für die Yale University.

Mit David F. Swensen sprach Ina Lockhart

leitwolf: Herr Swensen, Sie sind 1979 als Doktorand von Yale zu dem damaligen Anleihegiganten Salomon Brothers nach New York gegangen, haben dort den ersten Swap konstruiert und hätten erfolgreicher Partner in einer der Wall-Street-Investmentbanken werden können. Was hat Sie wieder zu Ihrer Universität gelockt?

David F. Swensen: Als ich mir damals anschaute, wie die Partner der Wall-Street-Banken lebten und arbeiteten, war mir klar, dass ich so ein Leben nicht führen wollte. Da stimmte einfach die Gewichtung zwischen dem Beruflichen und dem Privaten nicht.

leitwolf: Gab es für Sie ein Schlüsselerlebnis?

David F. Swensen: Hank Paulson hielt einmal eine Rede in Yale. Das war noch, bevor er Chef von Goldman Sachs und später dann Finanzminister der Vereinigten Staaten wurde. Er zählte auf, wonach man seinen künftigen Arbeitgeber aussuchen sollte: Das Unternehmen sollte global und operativ führend sein, fokussiert Talente über ein Mentorensystem fördern und früh seinen Mitarbeitern Verantwortung geben. Doch zwei wichtige Dinge fehlten in dieser Aufzählung.

leitwolf: Welche waren das?

David F. Swensen: Zum einen etwas zu tun, das einen Unterschied macht und etwas bewirkt. Und zum anderen für eine Organisation zu arbeiten, die sich einer Mission verschrieben hat. Beides findet man nur schwerlich an der Wall Street, aber doch recht leicht bei Yale in New Haven.

leitwolf: Als Sie 1985 beim Yale Endowment als Chief Investment Officer anfingen, was haben Sie da vorgefunden?

David F. Swensen: Eine Milliarde Dollar, die zu 50 % in US-Aktien, zu 40 % in US-Anleihen und Cash und zu 10 % in alternative Anlagen investiert waren. Allerdings muss man dabei wissen, dass damals bereits Aktien außerhalb der USA als alternative Anlagen galten.

leitwolf: Ihre damaligen Doktorväter, Bill Brainard und der Nobelpreisträger James Tobin, holten Sie nach Yale, obwohl Sie über keinerlei Erfahrung im Portfolio-Management verfügten. War das Fluch oder Segen?

David F. Swensen: Es war auf jeden Fall ein Vorteil. Denn so, wie in den 1980er-Jahren die Stiftungsgelder der US-Universitäten angelegt wurden, ergab es keinerlei Sinn. Anleihen und Cash werfen langfristig nun mal nicht so hohe Renditen ab wie Aktien. Es gab zwei Hauptpunkte, die mich beim Yale Endowment beunruhigten: zum einen die fehlende Diversifikation im Portfolio und zum anderen die Diskrepanz zwischen dem Investmentansatz und dem Verwendungszweck der Stiftungsgelder. Es geht ja nicht nur darum, den heutigen Universitätsbetrieb am Laufen zu halten, sondern auch darum, künftige Generationen von Lehrenden und Studierenden auf Ewigkeit zu finanzieren.

leitwolf: Was war Ihre erste Amtshandlung?

David F. Swensen: Das Portfolio neu auszurichten – allerdings auf behutsame Weise. Denn ein behutsames Vorgehen ist immer angeraten, wenn man Vermögen verwaltet.

leitwolf: Behutsamkeit bringt meist aber keine schnellen Erfolge. Wurde Ihnen denn die nötige Zeit gelassen, um die Änderungen im Portfolio vorzunehmen? Wann zeigten sich die ersten Erfolge der Portfolioneuordnung?

David F. Swensen: Durch die sukzessive Neuausrichtung kamen wir weg von der Zweiteilung in Aktien und Anleihen hin zu mehr Diversifikation mittels Immobilien, Rohstoffen, Hedgefonds, Wagniskapital und Private Equity. Anlagedisziplin ist in so einem Prozess extrem wichtig. Anfang der 1990er-Jahre fing unsere neue Portfoliostrategie an, sich auszuzahlen.

leitwolf: Sie betrauen externe Asset Manager mit der Umsetzung Ihrer Investmentideen – derzeit sind es rund 100. Wie schwer ist es für Manager, von Yale ausgewählt zu werden und das Mandat zu behalten?

David F. Swensen: Die Hürde, die künftige Manager, aber auch Bewerber für unser Investmentteam nehmen müssen, liegt sehr hoch. Wir haben einen sehr harten Auswahlprozess. Sind wir aber von einem Manager überzeugt, legen wir großen Wert auf eine langfristige Partnerschaft. Durchschnittlich arbeiten wir 12 bis 14 Jahre mit einem Manager zusammen.

leitwolf: Ihr 30-jähriges Dienstjubiläum liegt hinter Ihnen. In dieser Zeit haben Sie viel gesehen. Wie haben Sie die Finanzkrise 2008 erlebt?

David F. Swensen: Es war eine schreckliche Zeit. Der Wert illiquider Anlagen stürzte praktisch über Nacht ins Bodenlose, denn alle brauchten plötzlich Geld. Nicht so unsere Stiftung, sodass wir Ruhe bewahren und sogar davon profitieren konnten, dass alle anderen Investoren Illiquidität gemieden haben und solche Vermögenswerte extrem billig waren. Wir taten das Gegenteil und kauften. Das Einzige, was ich heute bedauere, ist, dass wir damals nicht mehr Geld zur Verfügung hatten, um noch mehr zu kaufen.

leitwolf: Wo liegt die Zielquote für illiquide Investments?

David F. Swensen: Vor der Finanzkrise lagen wir immer hinter unseren Zielen, da wir gar nicht so schnell investieren konnten, wie das Volumen der Stiftungsgelder anwuchs. Deswegen dachten wir darüber nicht genauer nach. 2008 hatten wir 21 Milliarden Dollar unter Management, später dann krisenbedingt deutlich weniger mit rund 16 Milliarden. Nach der Krise steckten wir viel Arbeit in unsere Analyse, wo das kritische Niveau für illiquide Investments liegen würde. Nach etlichen Stresstests und Szenarioberechungen ermittelten wir eine Quote von 50 %.

leitwolf: Und wie hoch war die tatsächliche Quote illiquider Investments nach Ihrem „Großeinkauf“ in der Finanzkrise?

David F. Swensen: Da betrug sie rund 67 %. Nicht nur, weil wir stark zugekauft hatten, sondern weil unser Nenner, also das Volumen des Endowments, krisenbedingt auf 16 Milliarden Dollar schrumpfte.

„Außerbörslich angebotenes Kapital ist die bessere Form der Kapitalanlage.“

leitwolf: Für wie liquide halten Sie die Kapitalmärkte heute noch?

David F. Swensen: Die Liquidität, die angeblich im Markt sein soll, gibt es faktisch nicht. Börsenkurse, die wir für Unternehmens- oder Hochzinsanleihen auf dem Bildschirm des Handelssystems sehen, sind reine Fiktion.

leitwolf: Wie reagieren Sie darauf?

David F. Swensen: Ich bin immer stärker davon überzeugt, dass privates, also außerbörslich angebotenes Kapital die bessere Form der Kapitalanlage ist. Deshalb glauben wir, dass es die richtige Entscheidung ist, mit einer Venture-Beteiligung durch dick und dünn zu gehen und die intensive Partnerschaft mit unseren dortigen Managern beizubehalten.

leitwolf: Besser auch, was die Rendite angeht?

David F. Swensen: Im Schnitt hat ein Private-Equity-Fund in den vergangenen zehn Jahren den Markt geschlagen mit Nettorenditen, die für Anleger wie Yale durchaus attraktiv sind. Und das, obwohl Private-Equity-Investoren 20 % der Unternehmensgewinne für sich vereinnahmen.

leitwolf: Yale gehört mit seinen Anlagerenditen zur Top-Liga institutioneller Investoren – auch wenn die Renditen im aktuell herausfordernden Marktumfeld gesunken sind. Nach rund 13 % pro Jahr in den vergangenen 20 Jahren erwirtschaftete Ihr Team in den vergangen zehn Jahren 8,1 %. Was ist der entscheidende Faktor, um weiterhin in der Top-Liga mitzuspielen?

David F. Swensen: Dafür zu sorgen, dass unser Investment-Office über ausreichende Ressourcen verfügt. Mein Team besteht aus 31 Mitarbeitern, fünf davon sind Anwälte. Der Rest, ich selbst eingeschlossen, ist damit beschäftigt, Investmentopportunitäten zu finden.

leitwolf: Vielen Dank, Herr Swensen, für das Gespräch.

Das „Yale-Modell“

Keine Universität hat mehr Manager von Stiftungsvermögen hervorgebracht als Yale. David F. Swensen ist nicht nur CIO, sondern mittlerweile Investorenlegende. Er liebt die wöchentliche Runde mit seinen Investment Professionals und Nachwuchshoffnungen. Einzelne Investmentideen werden dann kritisch auseinandergenommen. David F. Swensen sieht drei wesentliche Instrumente im Asset Management: Asset Allocation, Market Timing und Security Selection. Die breite Streuung des Vermögens betrachtet Swensen als die wichtigste Performancequelle, während er von Market Timing grundsätzlich abrät. Angesprochen auf die wichtigsten Faktoren bei der Managerauswahl, antwortet er: „Entscheidend ist erstens der Charakter des Managers, zweitens der Charakter des Managers und drittens der Charakter des Managers.“ Nach diesem „Yale-Modell“ sind aus anfänglich einer Milliarde Dollar 27 Milliarden Dollar geworden. Absolute Return inkl. Hedgefonds ist mit 25 % die dominante Anlageklasse, gefolgt von Wagniskapital (17 %), ausländischen Aktien (15,5 %) und schuldenfinanzierten Unternehmenskäufen (LBOs) mit 14 %. Im Finanzjahr 2018 steuert die Stiftung 1,3 Milliarden Dollar zum Budget und damit 34 % des Nettoeinkommens der Eliteuniversität bei – nach nur 10 % im Jahr 1985. In den vergangenen 20 Jahren ist diese Quote annualisiert um 9,2 % gestiegen.

„Das Vermögen einer Stiftung zu verwalten ist eine Position des Vertrauens und kein Sprungbrett für die Karriere.“ Zitatgeber David F. Swensen, der in Yale u. a. bei James Tobin Economics studiert hat und seit 1985 für das mittlerweile 27 Milliarden Dollar große Stiftungsvermögen der altehrwürdigen Universität verantwortlich ist, ist Überzeugungstäter. Auch nach 32 Jahren in demselben Job spürt man die Leidenschaft, mit der der hochgewachsene 64-Jährige den Herausforderungen des Kapitalmarkts trotzt. An Ruhestand denkt er noch lange nicht.

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