„Kontrollierte Offensive
zeichnet uns aus“

Beim Management ihrer Kapitalanlagen verfolgt die Deutsche Post DHL Group eine konservative Anlagestrategie. Dennoch gehören neben Immobilien, Aktien und Anleihen auch Alternative Investments zum Anlageuniversum von Henrik Hänche, der bei dem internationalen Logistikkonzern den Bereich Corporate Finance verantwortet.

Mit Henrik Hänche sprachen Ralf Lochmüller und Dr. Markus Zuber.
Protokolliert von Anna-Maria Borse

leitwolf: Herr Hänche, als Leiter Zentralbereich Finanzen des Deutsche Post DHL-Konzerns verantworten Sie mehrere Bereiche. Können Sie diese näher erläutern?

Henrik Hänche: Mein Verantwortungsbereich umfasst das gesamte Spektrum vom Cash- und Treasury-Management über Pensionen bis zu M&A im In- und Ausland. In UK sind wir zum Beispiel für die gesamte Pensionsadministration verantwortlich. Wir sind einer der größten Arbeitgeber in Großbritannien und betreuen 100.000 aktuelle und ehemalige Mitarbeiter. In Deutschland sind wir für das Asset Management des Pensionsvermögens unmittelbar verantwortlich. Hier entscheiden wir selbst über das Management des Vermögens, während in Ländern wie UK oder NL der Trustee das Asset Management verantwortet. Wir wirken nur bei der Entscheidungsfindung mit.

leitwolf: Wie gehen Sie im Treasury vor?

Henrik Hänche: Unsere Treasury-Gelder sind eher kurzfristig wie z. B. in Geldmarktfonds investiert. Da gilt das, was der ehemalige Schalker Trainer Huub Stevens immer gepredigt hat: „Die Null muss stehen.“ Bei uns sind es meist ein oder zwei Basispunkte über Null, was in Zeiten von Niedrig- bzw. Negativzinsen schon ein sehr gutes Ergebnis ist.

leitwolf: Und wie sieht es bei Ihren Pensionsgeldern aus?

Henrik Hänche: Bei den Pensionsgeldern ist das komplett anders. Da beträgt unser Anlagehorizont zehn Jahre oder mehr und wir haben ganz andere Freiheiten. Um im Jahr der Fußballweltmeisterschaft noch einen weiteren Trainer zu zitieren: „Kontrollierte Offensive zeichnet uns aus“, wie Otto Rehagel immer sagte. Konkret heißt das, dass wir in Deutschland für das Pensionsvermögen breit diversifiziert und mit einem Risikobudget von 6 % annualisiert eine Rendite von mindestens 4 % erwirtschaften wollen – und das über den gesamten Anlagezyklus hinweg. Dieses Konzept verfolgen wir seit 2010 und haben seitdem die Ziele auch erreicht oder sogar übertroffen. 2017 lag die Rendite in Deutschland bei 9 %, auf Konzernebene bei 8 %.

leitwolf: Was Ihre Vermögensallokation auf der Pensionsseite angeht: Welche Rolle spielen liquide und illiquide Assets?

„Wo es Marktineffizienzen gibt, etwa bei Small Caps, setzen wir auf ein aktives Management.“

HENRIK HÄNCHE startete seine Karriere nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Gießen 1986 bei BASF. Nach Stationen bei ABB und Dyckerhoff, jeweils im Finanzbereich, folgten acht Jahre beim Stuttgarter Autobauer Porsche, wo der gebürtige Hesse zuletzt Leiter des Corporate Treasury Centers war. 2008 wechselte Hänche zur Deutschen Post DHL Group, dort ist er verantwortlich für den Bereich Corporate Finance. Dieser umfasst das gesamte Spektrum von Corporate Finance über Cash- und Treasury-Management bis hin zu Mergers & Acquisitions. In seiner raren Freizeit nimmt der begeisterte Läufer und Autofan gern ein naturwissenschaftliches Buch zur Hand.

Henrik Hänche: Wir haben den Anteil an illiquiden Assets in der Niedrigzinsphase aufgestockt. In Deutschland handelt es sich dabei im Wesentlichen um eigengenutzte Immobilien. Damit erzielen wir eine auskömmliche Rendite. Immobilien sind für uns grundsätzlich von strategischer Bedeutung, wir trennen uns aber auch von ihnen, wenn das nicht mehr der Fall ist. In Deutschland macht der Immobilienanteil derzeit rund 28 % aus, konzernweit sind es deutlich weniger, im Ausland handelt es sich dabei auch um Immobilienfonds. Aktien mit Large und Small Caps inklusive Emerging Markets-Anlagen kommen auf rund 20 %, Anleihen auf 30 bis 40 %, diese umfassen Staats- und Unternehmensanleihen, High Yield Bonds, Emerging Markets Debt, Senior Loans, Multi-Credit und Convertibles. In Deutschland liefert zudem ein Kapitalisierungsprodukt solide Erträge – auf dem Weg der Zinsen nach unten ein stabiler Anker. Die Aufteilung ist übrigens immer im Fluss.

leitwolf: Inwiefern berücksichtigen Sie Alternative Investments?

Henrik Hänche: Was Alternatives angeht, haben wir in Deutschland und auch auf Konzernebene in Private Equity investiert, das läuft entsprechend unseren Erwartungen. Wir setzen auch auf Absolute Return-Strategien sowie beispielsweise Volatilität. Infrastrukturanlagen spielen bei uns zum jetzigen Zeitpunkt keine Rolle, was aber nur am hohen Immobilienanteil liegt. Wichtig für uns ist: Wir müssen aus dem Pensionsvermögen regelmäßige Ausschüttungen vornehmen und das funktioniert nicht mit einem Anteil von 80 % oder 90 % an illiquiden Anlagen.

Henrik Hänche, Leiter Zentralbereich Finanzen des Deutsche Post DHL-Konzerns, im Gespräch mit Senior Relationship Manager und Partner Dr. Markus Zuber.

leitwolf: Ihre Pensionsgelder sind aufgeteilt in einen Pensionsfonds und ein CTA. Wie kam es zu dieser Konstellation?

Henrik Hänche: Der Vorteil eines CTA (Contractual Trust Arrangement) sind seine hohen Freiheitsgrade. Die Erfolge, die wir hier in den vergangenen Jahren erzielt haben, geben uns recht – und lassen uns auch weiterhin an diesem Pensionsvehikel festhalten. Die Idee für den BaFin-regulierten Pensionsfonds entstand während der Finanzkrise. Unser Anliegen war, einen Bestand an Pensionsverpflichtungen zu transferieren, um die Beiträge zum Pensionssicherungsverein, die damals wegen der vielen Unternehmenspleiten zu explodieren drohten, zu reduzieren.

Henrik Hänche erläutert Gründungspartner Ralf Lochmüller seine Kriterien für eine Zusammenarbeit mit externen Asset Managern.

leitwolf: Machen Sie ein Overlay beim Pensionsvermögen?

Henrik Hänche: Des Deutschen liebstes Kind im Asset Management scheint das Overlay Management zu sein. Während in unseren Pensionsvehikeln außerhalb der Bundesrepublik Overlay keine Rolle spielt, haben wir ein entsprechendes Management in Deutschland. In einigen Multi-Asset-Mandaten sind Risikobudgets und Wertuntergrenzen eingezogen. Diese Mandate steuern sich sozusagen von selbst. Dort, wo dies nicht möglich ist, haben wir einen Overlay Manager, der über die Einhaltung des Risikobudgets wacht.

leitwolf: Sie haben Ende 2017 eine Wandelanleihe und einen Eurobond auf den Markt gebracht. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?

Henrik Hänche: Wir finanzieren uns hauptsächlich aus dem operativen Geschäft. Den Kapitalmarkt zapfen wir nur an für Dinge außerhalb der Reihe. Nachdem wir bereits 2012 eine Euro- und eine Wandelanleihe in einem Volumen von jeweils einer Milliarde Euro begeben haben, um unsere Pensionen weiter auszufinanzieren, haben wir uns entschlossen, im Dezember 2017 eine neue Wandelanleihe im gleichen Umfang zu begeben. Zusätzlich haben wir einen Eurobond in Höhe von 500 Millionen Euro emittiert, diesmal, um das Pensionsvermögen in Großbritannien zu stärken. Alles in allem sind wir hier gut aufgestellt. Insgesamt belaufen sich unsere Pensionsverpflichtungen auf 17,4 Milliarden Euro, die meisten davon in Deutschland, gefolgt von Großbritannien, den Niederlanden, der Schweiz und den USA.

leitwolf: Die Fondsindustrie ist ja erfinderisch, was neue Produkte angeht. Stichwörter sind Smart Beta oder Factor Investing. Außerdem sehen wir derzeit den Siegeszug des passiven Investierens. Was halten Sie davon?

Henrik Hänche: Wir sind eher puristisch unterwegs. Neue Produkte schauen wir uns an, um mitdiskutieren zu können, sind hier am Ende des Tages aber sehr zurückhaltend. Auf passive Investments setzen wir immer dann, wenn wir glauben, dass die Märkte wirklich effizient sind, etwa bei Large Cap-Aktien und Staatsanleihen. Dort, wo es Ineffizienzen gibt und die Forschung diese auch belegt, etwa bei Small Caps, investieren wir nur aktiv. Da kommt es dann auf die Auswahl des richtigen Managers an. Mit passiven Investments können die Kosten gedrückt werden, die aktiven Anlagen können dagegen gern etwas kosten – bei angemessenem Ertrag.

leitwolf: Auf unserem letzten Investment Fokus hatten wir David F. Swensen, der das Stiftungsvermögen der Yale University verwaltet, als Sprecher zu Gast. Was ist Ihrer Einschätzung nach sein Geheimnis?

Henrik Hänche: Was David Swensen geleistet hat, ist ganz außergewöhnlich, seine Strategie hat die Asset Management-Industrie sicherlich stark beeinflusst. Sie lässt sich aber nicht ohne Weiteres übertragen, zumindest nicht auf unser Unternehmen. Swensen hat bei der Yale Foundation ganz andere Freiheiten, um Kapitalmarktchancen zu nutzen. Wir müssen stärker auf die Risiken schauen. Einen hohen Anteil an illiquiden Assets haben wir zwar auch, und wir haben auch schon früh auf Alternative Investments gesetzt. Dennoch liegen wir mit der Rendite deutlich unter Swensens Ergebnis.

Deutsche Post DHL Group

Die Deutsche Post DHL Group ist der größte Logistikdienstleister der Welt. Zum Konzern gehören 1.000 Gesellschaften in 220 Ländern und Regionen, die Mitarbeiterzahl liegt bei über 520.000. Zum Produktportfolio zählen neben Brief- und Paketdiensten auch das Frachtgeschäft, die Kontraktlogistik und seit 2014 sogar die Produktion eigener Elektroautos („StreetScooter“). Der Umsatz belief sich 2017 auf 60,4 Milliarden Euro, das operative Ergebnis auf 3,74 Milliarden Euro. Der Konzern entstand 1995 durch die Privatisierung der früheren Behörde Deutsche Bundespost. „Das Management hat schon damals erkannt, dass man sich nicht nur auf das Briefgeschäft verlassen kann, und hat die Chancen der Globalisierung und den Bedarf an Logistik gesehen“, erklärt Hänche.

leitwolf: Das dürfte einigen Investoren so gehen … Wie David Swensen setzen Sie beim Asset Management auch ausschließlich auf externe Manager. Welche Kriterien muss ein Manager für eine Zusammenarbeit mit Ihnen erfüllen?

Henrik Hänche: Mandate an externe Manager vergeben wir in der Regel für drei Jahre, danach wird abgerechnet. Relevant ist in erster Linie die Rendite relativ zur Benchmark, aber auch absolut. Stimmt diese nicht, trennen wir uns von einem Manager, gegebenenfalls auch von der gesamten Asset-Klasse. Wir blicken aber auch nach vorn, etwa schauen wir, ob es Veränderungen im Management geben wird. Wir mögen Stabilität und Dynamik.

leitwolf: Arbeiten Sie bei der Auswahl von Managern mit Consultants zusammen?

Henrik Hänche: Consultants schalten wir nur ein, wenn wir keine Expertise haben, Beispiele sind Emerging Markets Debt oder Emerging Markets Equity. Wir bauen parallel dazu aber auch immer eigenes Know-how auf, um unabhängig zu werden. Letztlich kann ich die Verantwortung, die ich trage, nicht outsourcen.

leitwolf: Herr Hänche, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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