WORK ALPHA
Die Beschützer des Alpha
Seit Gründung im Oktober 2000 verfügt Lupus alpha über ein eigenes Händlerteam. Aus Überzeugung und als Wettbewerbsvorteil. Dabei kommt es auf eine gute Zusammenarbeit mit den Kollegen aus dem Portfolio-Management an. Nicht nur illiquide Aktien sind eine Herausforderung.
Von Ina Lockhart
Frankfurt am Main, Westhafen, Speicherstraße 49–51, 5. Stock. Reiner Hessler sitzt ganz hinten in der Ecke am Trading Desk mit Blick auf den Main. An einem Dienstagmorgen Ende Januar gegen 10 Uhr. Der Händler hat gerade mehrere Broker wegen eines Trades mit Optionen auf den EURO STOXX 50 angefragt und wartet auf ihre Angebote. Jetzt tickern die ersten Antworten über den Chat auf dem Bloomberg Terminal. Die Konditionen sind genannt. Hessler hält kurz mit Portfolio-Manager Mark Ritter Rücksprache. Der Alternative Solutions-Experte ist sein interner Auftraggeber. Ritter gibt sein Okay. Damit ist nur noch ein Broker im Rennen.
Hessler checkt noch einmal die Konditionen:
Hessler: Still good?
Broker: Checking – sec – ja, noch gut unsere Preise.
Hessler: Done. Bitte mache die Futures auf dem aktuellen Niveau.
Broker: Done – sec – filled @3623.
Gegen 11.45 Uhr kommt dann per Chat die finale Bestätigung des Trades mit dem Endpreis. Die Wahl des richtigen Brokers macht bei einer solchen Transaktion den Unterschied. In diesem Fall ist der Unterschied 12.000 Euro wert. Eine Summe, die Hessler an Transaktionskosten für das betroffene Kundenportfolio gespart hat.
Gerade hat Ritter, der 2004 als Werkstudent bei Lupus alpha angefangen hat, für einen Spezialfonds eine Absicherungsstrategie, einen sogenannten „Collar“, auf den EURO STOXX 50 um drei Monate verlängert. Nicht im Alleingang, sondern in enger Zusammenarbeit mit seinem Kollegen Hessler, der nur wenige Schritte entfernt am Handelstisch sitzt. Teils auf Zuruf quer über den brusthohen Raumteiler hinweg, teils im Zwiegespräch mit prüfendem Blick auf den Handelsschirm seines Kollegen, der bereits seit mehr als 25 Jahren im Geschäft ist. Was früher alles per Telefonhandel ging, ist heute zum großen Teil durch Permanent Chat-Funktionen oder Trading-Plattformen ersetzt.
Ganz so einfach, wie es sich anhört, war die Transaktion allerdings nicht. Verlängern heißt in dem beschriebenen Fall, die im September auslaufenden Kontrakte zu schließen und neue Call- und Put-Optionen mit Laufzeit bis Dezember zu öffnen. Ein sogenannter „Roll“, bei dem ein auslaufender Terminkontrakt durch einen neuen ersetzt wird. Ritters Fonds nutzt Optionen als Absicherungsinstrument für ein bestehendes Aktienindexinvestment. Durch die Kauf- und Verkaufsoption kann sich das Portfolio des Alternative Solutions-Spezialisten nur in einer gewissen Bandbreite entwickeln. Extreme Verluste können so vermieden werden. Den Roll hätten Ritter und Hessler als vier Einzelgeschäfte umsetzen können. In diesem Fall war jedoch ein Package-Preis, also ein Preis für alle vier sogenannten „Legs“ der Strategie, optimal, da sich viele der Risikofaktoren gegenseitig aufheben.
„Mit Optionen zu handeln erfordert viel Erfahrung und eine gute Marktübersicht“, sagt Dr. Maciej Kocan, der 2008 zu Lupus alpha kam und seit 2012 den Bereich Trading & Implementation leitet. „Da kommt es darauf an, dass man den fairen Preis weiß. Die Fondsmanager unterstützen uns hier bei der Ausführung einer Transaktion, denn sie sind stärker in die Bewertung involviert. Sie haben oft ihre eigenen Preisvorstellungen. Nur bei sehr liquiden Derivaten, wie Futures auf Hauptindizes, gibt es wenig Spielraum. Die werden dann direkt elektronisch auf der Börse gehandelt.“

Das Trading & Implementation-Team von Lupus alpha bei der Arbeit.

Alternative Solutions-Experte Mark Ritter (rechts) stimmt sich mit Händler Alexander Pril ab.
Für den unwissenden Besucher erschließt sich nicht, dass an jeder Tischgruppe unterschiedliche Experten arbeiten. Alle schauen konzentriert auf ihre zwei Bildschirme vor sich, um mit gezielten Abfragen im Bloomberg Handelssystem Informationen für eine geplante oder laufende Transaktion abzurufen oder um über die interne Portfolio-Management-Software das grüne Licht für einen Trade von den Kollegen aus dem Risikomanagement oder der Compliance zu bekommen. Überall prangt auf den Telefonen der Aufkleber mit dem regulatorisch notwendigen Hinweis „Apparat wird aufgezeichnet“, der hier aber genauso zum Arbeitsalltag gehört wie das Telefonheadset oder die Kaffeetasse.
Seit der Gründung im Oktober 2000 ist der Handelstisch wichtiger Bestandteil im Unternehmen. Was damals bei Lupus alpha mit zwei Händlern anfing, ist heute ein Team von sechs Kollegen inklusive Kocan. Das Team wurde allmählich aufgestockt, als der Asset Manager, der als Spezialist für Small & Mid Cap-Aktien an den Start ging, Schritt für Schritt expandierte. Über die Jahre kam die Alternative Solutions-Sparte hinzu. Das Wandelanleihen-Team ist die jüngste strategische Produkterweiterung.


Noch heute ist das Führungsteam davon überzeugt, dass die Kompetenz und Erfahrung eines eigenen Trading Desks verbunden mit einem guten Brokernetzwerk ein entscheidender Wettbewerbsvorteil ist. „Eine kompetente und kosteneffiziente Transaktionsausführung ist ganz klar ein Argument für Kunden, sich für Lupus alpha zu entscheiden“, sagt Kocan nicht ohne Stolz. Er verweist auf die renommierte, regelmäßig von Extel durchgeführte Marktteilnehmerumfrage, in der Lupus alpha wiederholt sehr gut abschneide.


„Alpha ist ein knappes Gut, das es zu beschützen gilt“, betont Dr. Götz Albert, Partner und Leiter des Small & Mid Cap-Teams. Nicht nur das Bestandsportfolio liefert Performance, sondern auch neue Investmentideen sind ein wichtiger Treiber. „Auf dem Weg von der Idee ins Portfolio lauern aber zwei Feinde, die wir dank unserer guten Teamarbeit zwischen Portfolio-Management und hauseigenen Händlern so in Schach zu halten versuchen, dass der Kunde von Lupus alpha am Ende profitiert“, erklärt Albert anschaulich. „Feind Nummer eins ist der Market Impact – also die Kursbewegung, die wir potenziell mit unserer Transaktion im Markt auslösen. Feind Nummer zwei sind die Opportunitätskosten geplanter, aber nicht vollzogener Trades. Beispielsweise, wenn das vom Portfolio-Manager gewünschte Ankaufsvolumen angesichts mangelnder Liquidität in der betreffenden Aktie an dem Tag nicht umzusetzen war und die Aktie wenig später deutlich höher notiert. Damit hat sich für den Portfolio-Manager der Kaufgrund erst einmal erledigt.“
Bei aller Performance und nachhaltig guten Umfrageergebnissen muss auch Lupus alpha sich erklären, wenn die hauseigenen Fonds im Kostenvergleich mit der Konkurrenz stehen. Gerade bei Neukunden oder in von Consultants betreuten Auswahlprozessen. „Oft wird die Handelsgebühr mit den gesamten Transaktionskosten gleichgesetzt“, sagt Albert. „Das ist schlichtweg falsch, denn das ist nur eine Dimension. Market Impact und Opportunitätskosten sind die beiden anderen. Erschwerend kommt hier hinzu, dass sich die Opportunitätskosten entgangener Trades nur schwer messen lassen.“

Dr. Maciej Kocan, Head of Trading & Implementation, im Gespräch mit Risikomanager Paul Hanau.



Was früher per Telefonhandel ging, ist heute weitgehend durch Chats oder Trading-Plattformen ersetzt.
Eine ähnlich enge Zusammenarbeit wie mit Derivatespezialist Ritter gibt es auch mit den Portfolio-Management-Kollegen, die für Wandelanleihen und besicherte Unternehmenskredite (CLOs) verantwortlich sind. Bald steht eine Aufstockung bei den Wandelanleihen an. Ähnlich wie bei einer Neuemission im Aktienmarkt muss hier etliche Vorarbeit geleistet werden, da die Stammdaten der neu angebotenen Convertibles, die die Kollegen gern für ihren Fonds erwerben wollen, erst noch im System angelegt werden müssen. Hier kommen die Abteilungen Risikomanagement und Compliance ins Spiel. Auf Basis der Emissionsbedingungen, die in den „Term Sheets“ zusammengefasst sind, prüft das Risikomanagement, ob die Komplexität der Bedingungen mit der Firmenpolitik vereinbar ist. Die Kollegen aus der Complianceabteilung checken, ob die Bonität der Emittenten mit den in den Kundenmandaten festgelegten Regeln konform ist.
„Der Handel ist nur das, was im Markt passiert“, sagt Kocan. „Davor und danach gibt es entsprechende Vor- und Nacharbeiten, die keineswegs zu unterschätzen sind und Teil unserer Dienstleistung sind.“ Beispielsweise gibt Compliance eine geplante Transaktion nicht frei, wenn die Kasse des Fonds bereits mehr als 5 % ausmacht, die Aktie auf der Negativliste steht oder durch einen Vertipper ein falsches Volumen eingegeben wurde. Compliance und IT pflegen die jeweiligen Restriktionen pro Mandat in das System ein.
Der gebürtige Pole sitzt mit den fünf Kollegen seines Teams am selben Tisch. Der stämmig gebaute Grauhaarige mit Kurzhaarschnitt wirkt auf seinem Eckplatz wie ein Fels in der Brandung, sparsam in seinen Bewegungen und vertieft in seine Arbeit. Hinter ihm auf dem Sideboard und an der Wand haben die Teamkollegen ein veritables Stillleben in Szene gesetzt: ein vollgekritzeltes Whiteboard, auf dem je nach Bedarf für neue Formeln mit einem Wisch Platz gemacht wird. Auch der Kampf gegen die „dunkle Macht“ darf nicht fehlen in Form eines Kinderlaserschwerts von Star Wars. Neben den guten Vorsätzen für 2018 hängt eine Getränkekarte für Obstbrände und Liköre an der Wand. Grünlilie und Aktenordner gehören zum obligatorischen Bürointerieur.


Am Topf der Grünlilie direkt im Rücken von Kocan klebt ein Foto, das einem Wärmediagramm ähnelt. Unterschiedlich eingefärbte, unregelmäßig verlaufende, ausgefranste Flächen, die am Rand des Fotos blau-grün sind, dann in Gelb und in der Mitte in ein kräftiges Rot übergehen. „Das ist eine quantitative Auswertung, die eine Optimierung von Handelszeiten zeigt“, erklärt der Quant-Experte. „Rot ist gut, blau ist schlecht.“ Kocan scheint eher unbeteiligt am Handelstreiben um ihn herum. Doch der Schein trügt, er hat seine Ohren und flinken Augen überall. Und schaltet sich ein, falls notwendig. Während Hessler auf die finale Bestätigung der Transaktion wartet, erinnert ihn Kocan an die seit Jahresbeginn geltende neue Regel der MiFID II, der überarbeiteten EU-Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente: „Denk dran, dass wir jetzt für jede abgeschlossene OTC-Transaktion die Handelszeit in unserem Buchungssystem eintragen müssen“, sagt er. Hessler hört die fast beiläufig geäußerte Bemerkung von links sehr wohl, obwohl Kocan dabei nicht lauter oder eindringlicher gesprochen hat als sonst. Er füllt die relevante Zeile im System aus. Die Bloomberg Chats werden zwar von Lupus alpha über mehrere Jahre hinweg archiviert. Doch reicht das den Meldestellen der jeweiligen Finanzmarktaufsichten wie der BaFin in Deutschland und der Financial Conduct Authority (FCA) in Großbritannien nicht aus. Sie verlangen einen getrennten Eintrag im Handelssystem, um rekonstruieren zu können, welche Partei mit welchem Vertragspartner gehandelt hat.

Heiko Felzmann (stehend) und Alexander Pril prüfen aktuelle Preisangebote. Im Hintergrund: Hans-Peter Heyn.

In Aktion, Reiner Hessler (links) und Mark Ritter führen eine Transaktion durch.
Von 7.45 Uhr bis abends 19 Uhr ist der Handelstisch im 5. Stock im Schichtdienst besetzt. Bevor der Letzte abends geht, wird das Portfolio mit entsprechenden Kurslimits für den S&P 500 und amerikanische Staatsanleihen gegen Verlustrisiken abgesichert. Nachts hat den Trading Desk bislang noch keiner gehütet – auch nicht am 23. Juni 2016, als die Briten über ihren Verbleib in der Europäischen Union abstimmten, oder am 9. November 2016, als die Amerikaner Donald Trump zu ihrem Präsidenten wählten.
Seit fünf Jahren arbeitet die Truppe in der Konstellation zusammen, wie sie hier am Tisch sitzt – bis auf den Junior Alexander Pril, der vor einem Jahr dazugekommen ist. Und der ins Team geholt wurde, um nach dreijähriger Übergangsphase Hans-Peter Heyn nachzufolgen, der 2019 in Rente geht. Im Prinzip sind alle sechs Generalisten und können – schon allein wegen des Schichtdienstes in den Randzeiten – alle Arten von Wertpapierinstrumenten handeln. Doch haben sie ihre Schwerpunkte. So führen die sich gegenübersitzenden Kollegen Matthias Rosenberger und Heiko Felzmann schwerpunktmäßig die Aufträge für Small & Mid Cap-Aktien aus. Hessler und Heyn sind die Alternative Solutions- und Derivatehändler. Der promovierte Mathematiker Kocan, der auch die Quantitative Analyse bei Lupus alpha leitet, kommt ebenfalls stärker von der Derivateseite.
Das heißt aber nicht, dass er nicht weiß, wie knifflig Aktien mit geringer Marktkapitalisierung sein können, oft aus skandinavischen Ländern, Portugal oder Österreich. Eine Marktkapitalisierung von im Schnitt 500 Millionen Euro ist laut Kocan eine Herausforderung. „Bei einer illiquiden Aktie schafft ein guter Händler wirklich Mehrwert.“ Jede Aktie habe ihre eigene Marktdynamik. „Für uns ist der Idealfall, dass wir einfach mitschwimmen und von den Marktteilnehmern nahezu unbemerkt unsere Transaktion ausführen können.“ 20 bis 50 Basispunkte könne so ein geräuschloser Trade schon ausmachen.
Während Kollege Rosenberger mit Headset auf dem Kopf zwischen Bildschirm und Glasfront hin- und herläuft und mit einem der Fondsmanager spricht, checkt Heiko Felzmann die aktuellen Tickets, die im Handel abgearbeitet werden. Derzeit sind es 22, doch oft können es auch zwischen 50 bis 60 sein. Je nach Liquidität und Durchschnittsvolumen kann es bei einer Aktie bis zu zwei Wochen dauern, bis die gewünschte Transaktion voll ausgeführt ist. „Manchmal bekommen wir aus dem Portfolio-Management Aufträge, die das Vier- bis Fünffache des Tagesvolumens ausmachen“, sagt Felzmann. Mit einer speziellen Bloomberg Abfrage kann er durchspielen, wie lange die Ausführung zu welchen Handelskosten dauern kann.
Bei einer laufenden Transaktion behalten Felzmann und Kollegen im Blick, zu welchem Durchschnittskurs Lupus alpha im Vergleich zum allgemeinen Durchschnitt gehandelt hat. Auch checken sie auf Bloomberg, welche Broker auf welcher Seite aktiv sind. Sind sie Verkäufer oder Käufer? Gibt es auch Blöcke von Aktien, die an alternativen Börsen gehandelt werden? Auf keinen Fall offenbart Lupus alpha den Brokern die gesamte Order. Nur einzelne Tranchen werden nach außen gegeben.
Unter MiFID II wird sich die Brokerlandschaft aufgrund der erhöhten Kostentransparenz, was Research angeht, ab diesem Jahr stark verändern. Dr. Götz Albert spricht von einem Experiment: „Wir wissen nicht, wie viele Spezialbroker diese neue Regulierung nachhaltig umsetzen können und wo die Liquidität hingeht.“
Bei Lupus alpha wird sich dagegen nichts ändern. „Das eigene Händlerteam bleibt fester Bestandteil bei uns“, sagt Albert. „Keinesfalls werden wir das an Dritte auslagern. Unsere Flows wollen wir nicht preisgeben, sondern weiterhin selbst zum Kostenvorteil unserer Kunden managen.“
Fotos: Markus Kirchgessner